Wirtschaft und Gastronomie

Fritz Schoellhorn

Unternehmer, 1863–1933

Fritz Schoellhorn führte von 1898 bis 1930 die Brauerei Haldengut. Er zählt zu den prägenden Persönlichkeiten im Schweizer Brauereiwesen an der Wende zum 20. Jahrhundert.


Geburtsort
Oberurbach (Württenberg)

Geboren
19.10.1863

Gestorben
02.02.1933


Fritz Schoellhorn im Jahr 1889. Im Alter von 26 Jahren wurde er Geschäftsführer von drei Brauereien. 
Foto: winbib (Signatur 172388)

Kindheit und Jugend

Fritz Schoellhorn wurde am 19. Oktober 1863 im württembergischen Oberurbach geboren. Sein Vater, Johann Georg Schöllhorn, war ein angesehener Malz- und Getreidehändler. Seine Mutter Karoline, geborene Nonnenmacher, war eine angesehene Bauerstochter aus der Region. Während sein Vater oft auf Geschäftsreisen war, wuchs der Junge mit seinen beiden Schwestern Josephine und Emilie sowie den Grosseltern auf dem heimischen Gutshof auf. 1868 zog die Familie ins nahegelegene Städtchen Weissbad, wo Fritz Schoellhorn die Realschule besuchte. So erhielt er schon als Kind eine höhere Bildung, die ihn auf den späteren Einstieg in das Geschäft seines Vaters vorbereiten sollte.

Umzug nach Winterthur

Vater Schöllhorn belieferte die Brauerei Haldengut regelmässig mit Malz und gab deren Besitzer, Ferdinand Ernst, grosszügige Kredite. Als dieser 1875 starb, beschloss Johann Georg Schöllhorn, die Brauerei zu kaufen, und zog mit der ganzen Familie nach Winterthur.

Fritz Schoellhorn besuchte die Sekundarschule bei Heinrich Ernst (1847–1934). Fritz Schoellhorn war der einzige katholische Junge in seiner Klasse, was ihn zunehmend störte. Ebenso wollte er am Sonntag nicht mehr in den Gottesdienst in die Kirche St. Peter und Paul gehen, was letztlich zu einem tiefgreifenden Zerwürfnis mit seiner Mutter führte. Danach besuchte Fritz Schoellhorn zwei Jahre lang die Industrieschule in Winterthur, ehe ihn sein Vater nach Lausanne schickte, damit er Französisch lernte. 1879 erklärte der Vater die Schuljahre seines Sohnes als beendet und liess ihn als Buchhalter für sein Malz- und Getreidegeschäft arbeiten. In dieser Zeit baute Fritz Schoellhorn ein freundschaftliches Verhältnis zu Hanna Ernst auf, der Tochter des ehemaligen Vorbesitzers, die gemeinsam mit anderen Familienangehörigen ebenfalls in der Brauerei lebte und dort als Buchhalterin arbeitete. Hanna Ernst sollte zeitlebens eine seiner wichtigsten Vertrauenspersonen werden.

Schweizer Pass als Schutz vor dem Kriegsdienst

Obwohl sich Vater Schöllhorn vollständig als Deutscher identifizierte und unter seiner Leitung überwiegend deutschstämmige Personen in der Brauerei lebten und arbeiteten, erwarb er 1880 das Winterthurer Bürgerrecht für sich und seine Familie. Es handelte sich dabei – vorausgesetzt das nötige Geld war vorhanden – um eine reine Formalität. Durch die Einbürgerung stellte er sicher, dass sein Sohn seinen Militärdienst in der politisch stabilen Schweiz absolvieren konnte und nicht in Deutschland.

Fritz Schoellhorn, der von seiner Arbeit allein nicht ausgelastet war, trat dem Verein Junger Kaufleute bei und nahm in Winterthur Tanzunterricht. Da sich der Konflikt mit seiner Mutter immer weiter zuspitzte, schickte ihn sein Vater in ein Bankgeschäft nach Ulm, um weitere Erfahrungen zu sammeln. Ab 1882 begann sein Vater, ihn immer stärker in die Geschäftstätigkeit einzubeziehen. So begleitete Fritz Schoellhorn ihn auf eine Geschäftsreise nach Wien, Ungarn und Mähren (heute Tschechien). Weil er im Alter von 18 Jahren die nötigen Masse für die Aufnahme in die Armee nicht erfüllte, erfolgte sein Diensteintritt erst 1883. Er besuchte die Rekrutenschule für Kavalleristen in Thun. Später stieg er zum Offizier des Dragoner-Regiments und schliesslich zum Rang eines Oberst auf.

Einstieg ins Brauereigewerbe

Fritz Schoellhorn war fasziniert von der Brauereitechnologie. Um das Brauereihandwerk zu lernen schrieb er sich als Gast in der renommierten Brauereischule in Weihenstephan ein und begab sich danach auf Lehrjahre in verschiedenen Brauereien. Das Jahr 1886 markiert ein Schicksalsjahr für den jungen Mann: Seine Mutter verstarb unversöhnt im Alter von nur 49-Jahren und gleichzeitig musste er auf Geheiss seines Vaters die Wanderjahre abbrechen und die kürzlich erworbene, marode «Brasserie Tivoli» in Genf führen. In Genf sammelte Fritz Schoellhorn seine ersten Erfahrungen als Brauereidirektor und musste viel Lehrgeld bezahlen. Die Infrastruktur war veraltet, das Personal unqualifiziert und das Bier schlecht. Zudem hatte der ehemalige Buchhalter grössere Summen veruntreut. In dieser Zeit wurde er Mitglied der örtlichen Freimaurerloge, später der Loge Akazia in Winterthur. Ebenfalls war er in späteren Jahren Mitglied der Herrenstuben-Gesellschaft.

Gründung der Vereinigten Schweizerbrauereien

Neben der Brauerei Haldengut, der Brasserie Tivoli und dem Getreidehandel besass Johann Georg Schöllhorn auch die Brauerei Bavaria in St. Gallen. Diese hatte er als Hauptgläubiger des Vorbesitzers aufgekauft, um seine Investitionen zu sichern. Einzig die Brauerei Haldengut wirtschaftete erfolgreich. Da die Betriebe nicht mehr aus eigener Kraft geführt werden konnten, fand am 21. März 1889 die konstituierende Generalversammlung der Aktiengesellschaft Vereinigte Schweizer Brauereien im Verwaltungsgebäude der Bank Winterthur statt.

Als Verwaltungsratspräsident wirkte der damalige Stadtschreiber Hans Knüsli (1841–1921), während Johann Georg Schöllhorn das Vizepräsidium übernahm. Fritz Schoellhorn wurde mit der Geschäftsführung aller drei Brauereistandorte betraut. Nach dem frühen Tod seines Vaters im Jahr 1890 trat Fritz Schoellhorn dessen Erbe an. Im gleichen Jahr heiratete er Lilly Sträuli, die Tochter des Seifenfabrikanten Carl Sträuli-Haggenmacher. Der Ehe entsprangen fünf Kinder. 1895 liess er durch den befreundeten Architekten Otto Bridler die Villa Lindeneck bauen.

Fritz Schoellhorn war unzufrieden mit seiner Position. Da er im Verwaltungsrat fest im Sattel sass, schuf dieser für ihn die Position eines «Delegierten des Verwaltungsrates». Damit war Fritz Schoellhorn von seinen Repräsentationspflichten gegenüber den Wirt:innen befreit und konnte an all seinen Standorten eigenständige Brauereidirektoren einsetzen. So blieb ihm genügend Zeit, um sich auf die strategischen und unternehmerischen Ziele der Brauerei zu konzentrieren. Als Hans Knüsli 1901 aus dem Verwaltungsrat ausschied, übernahm Fritz Schoellhorn das Präsidium.

Fortschritt und Innovation

Im Jahr 1904 beschloss die Aktiengesellschaft, die beiden defizitären Standorte in Genf und St. Gallen abzustossen und alle finanziellen Mittel auf die Brauerei Haldengut zu konzentrieren. Dies war die Geburtsstunde der «Brauerei Haldengut AG». Fritz Schoellhorn investierte kontinuierlich in neue Technologien und modernisierte die bestehende Brauereiinfrastruktur. Aus dem familiären Kleinbetrieb entwickelte sich im Verlauf der kommenden Jahre eine industrielle Grossbrauerei. Als einer der ersten Grossbetriebe in Winterthur verfügte die Brauerei Haldengut über einen grossen Fuhrpark an Last- und Motorwagen.

Aktiengesellschaft statt Genossenschaftsbrauerei

Fritz Schoellhorn betrachtete seinen Betrieb als grosse Brauereifamilie und arbeitete jahrelang daran, aus der Haldengut AG eine Genossenschaftsbrauerei zu machen. Diese Vision scheiterte nicht zuletzt am Widerstand der Arbeiterschaft. Die Zeit zwischen 1900 und 1930 war geprägt vom Arbeiterkampf und dem Ersten Weltkrieg. Fritz Schoellhorn führte seinen Betrieb zwar autoritär. Im Betrieb wurde er oft einfach «Herr Oberst» genannt. Gleichzeitig legte er jedoch viel Wert auf gut ausgebaute Wohlfahrtsmassnahmen und die Mitsprache seiner Belegschaft. Zu diesem Zweck rief er 1907 die Arbeiterkommission ins Leben, in der alle 51 Arbeitnehmenden durch Delegierte verschiedener Berufsgruppen vertreten waren. Fritz Schoellhorn kommunizierte stets offen – Geschäftsgeheimnisse gab es in der Regel nicht. Zudem unterstützte er verschiedene Organisationen und Vorhaben finanziell, allerdings meistens in kleinerem Umfang, weshalb er nie als grosser Förderer in Winterthur bekannt wurde. Er beteiligte er sich finanziell an verschiedenen Bauprojekten in Winterthur, darunter der katholischen Kirche St. Josef in Töss, dem Kindergarten Inneres Lind, dem Stadtgarten und der ersten Fussballtribühne des FC Winterthur. Wenig Interesse zeigte Fritz Schoellhorn an der hiesigen Kunst. Er förderte einzig den Schriftsteller Hans Kägi, da er dessen Vormund war.

Ein Wegbereiter des Bierkartells

Anfangs des 20. Jahrhunderts befanden sich die Brauereien in der Schweiz in einem ruinösen Konkurrenzkampf. Fritz Schoellhorn nahm über den Schweizerischen Brauerverband Einfluss auf die nationale Verbandspolitik. Er entwickelte Pläne und Positionspapiere zur Sanierung des Brauereiwesens und wurde damit zu einem wichtigen Wegbereiter des 1935 gegründeten Schweizer Bierkartells.

Fritz Schoellhorn setzte sich auch intensiv mit der Geschichte des Brauereiwesens in der Schweiz auseinander und publizierte auch eine Reihe von Fachartikeln zu technischen Themen. Weiter liess er durch seine Privatsekretärin Dora Muggli eine Bibliographie des bis dahin bekannten Wissens zusammentragen. In Anerkennung seines publizistischen Schaffens verlieh ihm die ETH Zürich 1928 die Ehrendoktorwürde.


Benutzte und weiterführende Literatur

Landwehr, Dominik et.al: Bier in Winterthur. Fritz Schoellhorn und die Brauerei Haldengut, 1880–1930 (362. Winterthurer Neujahrsblatt), Zürich 2024.
Wiesmann, Matthias: Bier und wir. Geschichte der Brauereien und des Bierkonsums in der Schweiz, Baden 2011.
Hauser, Peter: Das Brauereiwesen in Winterthur und Umgebung, in: Winterthurer Jahrbuch, 1998, S. 152–157.
Ruprecht, Heinz: Ferdinand Ernst (1819–1875), Johann Georg Schoellhorn (1837–1890), Fritz Schoellhorn (1863–1933). Brauerei Haldengut. Vom gewerbliche zum industriellen Brauen (Pioniere der Wirtschaft und Technik 57), Glarus 1993.
Schoellhorn, Fritz: Die Brauerei Haldengut in Winterthur, 1843–1918, Bd. 1-3, Zürich 1919.
Schoellhorn, Fritz: Erste Jugend, Schul- und Lehrjahre, 1863-1889. Erinnerungen. Winterthur, 1931.

Bibliografie

    Schoellhorn-Nonnenmacher, Johann Georg, 1837-1890

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Johann Georg Schoellhorn-Nonnenmacher (1837-1890) . In: Dokumentation Urs Widmer, Personen A-Z 3 S.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
14.11.2024