Kirchengebäude

Kirche St. Josef

Nägelseestrasse 46

Die 1914 von Adolf Gaudy geplante Kirche St. Josef erhielt in den 1970er-Jahren eine umfassende Innenrenovation durch das Architektenteam Felix Loetscher und Robert Tanner. Dadurch konnte der Kirchraum den geänderten Bedürfnissen der Pfarrei angepasst werden, ohne den ursprünglichen Charakter zu verlieren.


Baujahr
1914

Neugestaltung Innenraum:
1976/1977


Adresse
Römisch-Katholische
Pfarrei St. Josef
Nägelseestrasse 46
8406 Winterthur

Der Kirchbau verbindet Elemente der Romantik (Schwere und Breite des Gebäudes) mit Elementen der Gotik (Kreuzrippengewölbe und Fenster). Er lässt sich stilistisch der Reformarchitektur zuordnen. Aufnahme um 1930.
Foto: winbib (Signatur Kirche St-Josef_03)

Geschichte

Die Pfarrei St. Josef im Stadtkreis Töss ist eine Tochterpfarrei von St. Peter und Paul Winterthur. Im Rahmen der Industrialisierung mit der Ansiedlung von Fabriken in Winterthur und Umgebung zogen vermehrt auch katholische Arbeiterfamilien in die Gegend, sodass Ende des 19. Jahrhunderts der Wunsch entstand, im damals noch selbständigen Dorf Töss eine eigene Pfarrei aufzubauen. Ab 1901 fand im Quartier für die katholischen Kinder regelmässig Religionsunterricht statt, und vom 21. Januar 1906 an wurden in einem Schulzimmer im Schulhaus Eichliacker auch Gottesdienste gefeiert.

1905 bis 1930 wurden nach und nach Grundstücke für die Kirche und das Pfarrhaus erworben. 1913 konnte dank finanzieller Unterstützung durch den Kultusverein von Chur mit dem Bau begonnen werden. Am 30. August 1914 wurde die von Adolf Gaudy errichtete Kirche benediziert (die eigentliche Weihe konnte noch nicht gespendet werden, da die Schulden noch nicht getilgt waren) und Töss zum Pfarrrektorat (Vorstufe einer eigentlichen Pfarrei) ernannt. Wegen der zahlreichen Arbeiterfamilien bestimmte man den Heiligen Josef, den Schutzheiligen der Arbeiter, zum Patron. Am 11. September 1949 weihte Bischof Christian Caminada das fertig ausgestattete Gotteshaus ein.

Am 29. November 1969 wurde das von Felix Loetscher und Robert Tanner erbaute Pfarreizentrum eröffnet. Dazu gehört auch das neue Pfarrhaus, welches das alte, 1921 im Chalet-Stil erstellte ersetzte. Per 1. Oktober 1970 erhob der Bischof St. Josef zu einer eigenständigen Pfarrei. 1973 er­ folgte die Aussenrenovation der Kirche, in den Jahren 1976/1977 die lnnenrenovation, und im Jahr 2011 wurde das Pfarreizentrum umfassend saniert.

Architektur & Kunst

In der Architektur von St. Josef vereinen sich zwei Tendenzen des Kirchbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Zum einen lassen sich noch deutliche Anlehnungen an romanische und gotische Bauwerke finden, wodurch die Tradition des Historismus weitergeführt wird. Auf der anderen Seite finden sich auch Bestrebungen, in diesem Kirchbau neue architektonische Lösungen zu finden, was den Übergang zur Moderne andeutet. Stilistisch lässt sich St. Josef der Reformarchitektur zuordnen. Die erdnahe Schwere und Breite der Romanik ist geschickt mit gotischen Kreuzrippengewölben und Fenstern verbunden, die Ausmalung ganz Jugendstil, während sich der Kirchturm an die regional weit verbreitete Form mit einem Käsbissendach (steiles Satteldach) hält. Er birgt ein vierstimmiges Geläut, das von der Glockengiesserei Hamm stammt und von Bischof Georg Schmid von Grüneck am 23. Juni 1929 geweiht wurde.

Der Grundriss von St. Josef Winterthur ist quadratisch: Längs- und Querschiff sind gleich lang, und die Eckzonen werden von den Eingängen und dem Kirchturm eingenommen. Damit bildet die Kirche einen Zentralraum. Sie verfügte bis zur Sanierung in den 197Oer-Jahren über 450 Sitzplätze und besass einen Hochaltar mit neugotischem Schnitzwerk aus der Werkstatt des Bildhauers Holenstein. 1986 wurden die Reliefs des ehemaligen Hochaltars in den Nischen des Chores neu positioniert.

1976–1977 wurde der Innenraum der Kirche durch die Architekten Loetscher & Tanner neugestaltet. Da die Pfarrei in dieser Zeit über einen grossen Kirchenchor verfügte und die damalige Orgelempore besonders für Orchestermessen zu eng war, wollte man die Kirche zunächst um sechs Meter verlängern. Dies hätte jedoch den Baugrund für das Pfarreizentrum verengt und die Konzeption der Kirche als Zentralbau zerstört. Deshalb schlug Felix Loetscher vor, die Kirche äusserlich zu belassen und im Innern neu zu konzeptionieren, sodass sowohl der Kirchenchor mehr Raum bekam als auch dem Gemeinschaftsgedanken des II. Vatikanums (Versammlung der römisch-katholischen Weltkirche, 1962–1965) Rechnung getragen werden konnte. Die Architekten setzten den neuen Volksaltar in die Mitte des Zentralbaus und positionierten darum herum die Stühle für die Gläubigen. Die Orgel wurde in den ehemaligen Chor gesetzt, wodurch die architektonische Betonung dieses Bereiches nicht ins Leere läuft, sondern durch die markante Orgel ausgefüllt wird. Sie besitzt 23 Register und stammt von Späth Orgelbau.

Die erhaltenen Jugendstilmalereien wurden durch eine Klasse der Kunstgewerbeschule in Fronarbeit perfekt rekonstruiert. Eine Ausführung der Arbeiten durch fertig Ausgebildete wäre aus Kostengründen nicht in Frage gekommen.


Benutzte und weiterführende Literatur

Weber, Markus: Sakrales Zürich. 150 Jahre katholischer Kirchenbau im Kanton Zürich, Ruswil 2018.
Pfarreirat St. Josef Töss (Hrsg.): 100 Jahre Kirche St. Josef Töss. Sonderausgabe des Consajo. Winterthur 2014.
Niederhäuser, Peter: Von der Diaspora zur Ökumene. 150 Jahre römisch-katholische Kirchgemeinde Winterthur, Winterthur 2012.
Pfarreirat St. Josef Töss (Hrsg.): 75 Jahre Kirche St. Josef Töss. Sonderausgabe des Consajo. Winterthur 1989.
Widmer, Paul und Ladurner, Alois: Festschrift zum 75-jährigen Bestehen des Cäcilienchores von St. Josef Winterthur-Töss, Winterthur 1982.

Bibliografie

    Töss. Pfarrei St. Josef

    • Einträge ab 2011

      100-Jahr-Jubiläum der katholischen Pfarrei St. Josef. In: De Tössemer, Nr. 3, Jg. 56 (2013). S. 22.m.Abb.
      Niederhäuser, Peter: Im Zeichen des Stilgemisches. In: De Tössemer, Nr. 2, Jg. 57 (2014). S. 6-7. m.Abb.
      100 Jahre Kirche St. Josef Töss. Hrsg. Katholische Kirche in Winterthur. Consajo, Sonderausgabe zum Jubiläumsjahr. Jg. 31, Nr. 3. Winterthur, 2014. 35 S., ill.

    Töss.. Katholische Kirche St. Joseph. Pfarreiheim

    • Einträge 1991–2010

      Sanierung: Landbote 2009/142

    Loetscher, Felix, 1934-2021, Architekt

    • Einträge ab 2011

      Brunner, Hansjörg: Ein sportlicher Architekt. In: Der Landbote , Nr. 34 (2021). S. 3. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Landbote 2003/76 von Stefan Busz, 1Abb.


Autor/In:
Markus Weber
Letzte
Bearbeitung:
12.11.2024