Natur und Pärke

Olympia-Eiche, Miez-Eiche

Am Rand des Sportplatzes Deutweg steht heute eine imposante Eiche. Es handelt sich um eine der rund 141 Olympia-Eichen, die an den Olympischen Sommerspielen von 1936 in Berlin an die Gold-Medalliensieger übergeben wurden – so auch an den Winterthurer Kunstturner Giorgio Miez, der die Eiche 1938 der Stadt schenkte. Aufgrund ihrer Herkunft werden die Olympia-Eichen im Volksmund fälschlicherweise auch «Hitler-Eichen» genannt.


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Wie die Olympia-Eiche nach Winterthur kam

Die Winterthurer Olympia-Eiche geht auf den Tössemer Turner und Olympiasieger Giorgio Miez (1904–1999) zurück. Von sportlichem Ehrgeiz getrieben, reiste er 1936 an die Sommerspiele nach Berlin und holte dort die Goldmedaille in den Freiturnübungen. Wie alle siegreichen Olympioniken erhielt er für seine Leistungen einen Eichensetzling, den er nach Winterthur nahm und dem Turnverein Töss widmete. Miez benannte die Eiche nach seiner Tochter Sonja. 1938 wurde die junge Eiche in die Obhut der Stadt Winterthur gegeben. Der Stadtrat bedankte sich und war stolz über das Geschenk ihres Superstars. Damit die Eiche in Ruhe gedeihen konnte, wurde sie von den Mitarbeitenden der Forstbetriebe erst in die städtische Baumschule gebracht und dort gepflegt, bis sie 1949 zu Ehren von Georg Miez am oberen Deutweg eingepflanzt wurde, wo sie noch heute steht.

Historischer Kontext

Das Pflanzen von Bäumen zu Ehren bestimmter Persönlichkeiten hatte in Deutschland Tradition. Bereits 1883 wurden zu Ehren des 400. Geburtstags von Martin Luther an vielen Orten sogenannte «Luthereichen» gepflanzt. Ebenfalls gab es «Bismarckeichen» und auch «Kaisereichen». Diese Tradition wurde 1933 von den Nationalsozialisten aufgegriffen und so wurden in Deutschland mehrere Eichen zu Ehren von Adolf Hitler gepflanzt. Diese Bäume waren Teil des Personenkultes um den Diktator und wurden «Hitler-Eichen» genannt. 

Die Eichen der Olympischen Sommerspiele 1936
An den Olympischen Sommerspielen 1936 in Berlin wurden den Siegern in den rund 130 sportlichen Disziplinen und den 11 Kunstwettbewerben zusätzlich zu den Goldmedaillen einjährige Setzlinge einer deutschen Stieleiche überreicht. Diese befanden sich in einem Keramiktöpfchen und besassen die Aufschrift «Wachse zu Ehre des Sieges – rufe zur weiteren Tat.». Die Bäumchen wurden als Anerkennung für die Lesitungen der Olympioniken vergeben, weshalb sie auch «Olympia-Eichen» genannt wurden. Die bisher in der olympischen Geschichte einmalige Aktion entsprang nicht genuin der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie, sondern geht auf die Idee des Gärtners Hermann Rothe zurück und wurde vom Organisationskomitee und später auch von Hitler gutgeheissen. Die symbolische Bedeutung der Eiche ist historisch bedingt doppelt besetzt. Einerseits diente die Eiche als Ehrung für die Leistungen der jeweiligen Olympioniken, andererseits wurden die gesamten Sommerspiele von den damals regierenden Nationalsozialisten als Propagandaforum instrumentalisiert. Die Spiele von Berlin stehen bis heute als Inbegriff für die Instrumentalisierung des Sports durch ein politisches Regime. Während der olympische Fackellauf als Erfindung im Zuge der Sommerspiele 1936 bis heute überdauert hat, wurde die Idee der Vergabe von Baumsetzlingen nie wieder umgesetzt.

Das OK verteilte die Eichen nicht nur als zusätzlichen Pokal, sondern inszenierte sie auch als Symbol für das Deutsche Wesen, die Deutsche Kraft und Gastfreundschaft. Diese Eichen wurden – obwohl in vielen Artikel anders behauptet – nicht von Adolf Hitler persönlich überreicht, wie Filmaufnahmen bezeugen. Die Olympia-Eiche als «Hitler-Eiche» zu bezeichnen ist irreführend: Sie wurden weder vom Diktator überreicht, noch galten sie als direktes Geschenk von ihm, noch dienten sie seinem Personenkult. Ob es zwischen dem Diktator und den ausländischen Athleten überhaupt zu persönlichen Begegnungen und Gratulationen gekommen ist, bleibt bis heute umstritten. 

In mehreren Ländern haben sich Exemplare der ursprünglich 141 verteilten Eichen bis heute erhalten, so beispielsweise in Ägypten, Argentinien, Deutschland, Finnland Frankreich, Neuseeland und weitere. In vielen Fällen konnte ihr Verbleib nicht mehr rekonstruiert werden. Ihre Existenzberechtigung wurde an einigen Orten kontrovers diskutiert und manchmal kam es auch zu bewussten Fällungen.

Winterthurer Olympia-Eiche wird nach Kontroverse zur historischen Gedenkstätte

2021 geriet die Eiche in die Schlagzeilen, weil sich unter ihr Anhänger des IS versammelt haben sollen. In den Zeitungen wurde dann vermehrt der Begriff "Hitler-Eiche" für den Baum verwendet. Im Zuge der Berichterstattung gelangte dann der Baum selbst in den Fokus und es entbrannte die Frage, ob er aufgrund seiner Herkunft und Vergangenheit überhaupt eine Exitstenzberechtigung hat, oder gefällt werden soll. In der Folge beschäftigte sich der zuständige Stadtrat Stefan Fritschi, die Israelitische Gemeinde und auch die Eidgenössische Organisation gegen Rassismus mit dem Baum. Die Fällung des Baumes stand dabei nie zur Diskussion, stattdessen wurde die Geschichte aufgearbeitet und mittels einer Stele im November 2021 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Um die Verbindung des Baums mit dem Sport deutlicher zu machen, wurde er neu eingezäunt und dadurch vom umliegenden Parkplatz besser abgetrennt.

Bibliografie

    Miez, Georges, 1904-1999, Olympiasieger im Kunstturnen

    • Einträge 1991–2010

      NZZ 1992/303 S.41 f.
      Landbote 1999/91 m.Abb. - NZZ 1999/92 S.55. - Tössemer 1999/3 von Hansruedi Gommer, 1Abb.
      Tössemer 2006/3 von M. Guler

    Olympia Eiche

    • Einträge ab 2011

      Stutz, Georg: Eine Eiche als Mahnmal wund Würdigung zugleich. In: 84XO - Die neue Wochenzeitung, Nr. 9 (2021). S. 9. m.Abb.
      Felix, Christian: Eine Eiche bekommt ihre Ehre zurück. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 48 (2021). S. 5. m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
31.08.2023