Wissenschaft

Richard Robert Ernst

Chemiker, Nobelpreisträger 1933–2021

Richard R. Ernst war ein Schweizer Chemiker. Er gilt als Wegbereiter für die Entwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT). Für seine Forschungsleistungen im Bereich der physikalischen Chemie erhielt er 1991 den Nobelpreis in Chemie. Der Professor an der ETH Zürich war stark in seiner Heimatstadt Winterthur verwurzelt und wohnte zeitlebens hier.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
14.08.1933

Gestorben
04.06.2021


1989: Richard Ernst war Professor für physikalische Chemie an der ETH Zürich. Er erhielt 1991 den Nobelpreis in Chemie. Aufnahme von 1989.
Foto: winbib, Urheberschaft unbekannt (Signatur 171080)

Kindheit und Jugend in Winterthur

Richard R. Ernst wurde am 14. August 1933 in eine gutbürgerliche Winterthurer Familie hineingeboren und wuchs in einer Backsteinvilla an der Gottfried-Kellerstrasse 67 auf. Kurz nach seiner Einschulung entdeckte er seine Faszination für die Chemie, als er auf dem Dachboden zufällig eine alte Kiste mit Glasflaschen voller Chemikalien fand. Diese Kiste trug er in die Werkstatt im Kellergeschoss, wo er sich ein eigenes Labor aufbaute und mit den teilweise hochgefährlichen Chemikalien zu experimentieren begann. Das nötige Wissen beschaffte er sich in den väterlichen und städtischen Bibliotheken.

Chemiestudium an der ETH in Zürich

Bevor Richard R. Ernst sich 1952 für das Chemiestudium an der ETH einschrieb, konnte er dank der Beziehungen seines Vaters ein Praktikum im Labor der Holzverzuckerungswerke Hovag in Ems absolvieren. Während des Studiums spezialisierte er sich auf die physikalische Chemie. Nachdem er 1956 das Diplom als «Ingenieur-Chemiker ETH» erhalten hatte, besuchte er die Offiziersschule.

1962 schloss er seine Doktorarbeit mit dem Titel «Kernresonanz-Spektroskopie mit stochastischen Hochfrequenzfeldern» ab und wurde dafür von der ETH Zürich mit einer Silbermedaille ausgezeichnet. Zufrieden war er mit seiner Arbeit und den darin gewonnenen Erkenntnissen nicht, da sie ihm zu theoretisch waren. Er wollte praktisch tätig werden und so bewarb er sich in den USA um eine Postdoc-Stelle.

Forschungsaufenthalt in Amerika

Vor seiner Abreise in die USA lernte er die Primarlehrerin Magdalena Kielholz kennen, die er 1963 heiratete. Gemeinsam reisten sie nach Palo Alto, Kalifornien, wo Richard R. Ernst für die Firma Varian Associates in der Entwicklungsabteilung für NMR-Geräte arbeitete. Dort lernte er Wes Anderson kennen, mit dem er eine Anwendung der Fourier-Transorfmation entwickelte, mit der neu komplexe Biomoleküle mittels NMR-Spektografie identifiziert werden konnten. Damit gelang ihnen der wissenschaftliche Durchbruch.

1964 und 1967 kamen seine Töchter Anna und Katharina zur Welt. Die Familie fasste den Entschluss, wieder in die Schweiz zurückzukehren. Einerseits traten immer mehr Differenzen zwischen Richard R. Ernst und seinen Arbeitgebern auf und andererseits wollte das Ehepaar seine Kinder nicht in den USA aufziehen.

Forschung und Lehre an der ETH

Nach seiner Rückkehr trat Ernst eine Assistenzstelle am ETH-Laboratorium für Physikalische Chemie an, die er von seinem Doktorvater Hans Heinrich Günthard angeboten bekommen hatte. Hier konnte er seine Expertise im Bereich der NMR-Methode einbringen. Er leitete eine Forschungsgruppe, die sich mit der Methodenentwicklung von Flüssig-​ und Festkörper-​NMR beschäftigte. Die Anstellung war jedoch von Spannungen begleitet.

1969 wurde Richard R. Ernst für seine Leistungen mit dem renommierten Ruzicka-Preis geehrt. An seiner Stelle an der ETH hingegen war er nicht glücklich. Konkurrenzkampf und beschränkte Ressourcen setzten ihm zu. Ebenfalls vernachlässigte er in dieser Zeit immer mehr auch seine Familie, da er seine ganze Energie in die Wissenschaft steckte. 1970 erlitt der erst 36-Jährige Chemiker einen Nervenzusammenbruch. Allmählich erholte er sich und fand wieder auf die Erfolgsspur zurück. 1976 wurde er ordentlicher Professor für Physikalische Chemie an der ETH. Darüber hinaus kam es zu einer äusserst produktiven Zusammenarbeit mit Professor Kurth Wüthrich. Gemeinsam legten sie den Grundstein für die Entwicklung des Kernspintomografen (MRI). Ebenso erforschte und diskutierte er mit seinen Doktoranden den neuen Ansatz der zweidimensionalen NMR-Spektroskopie des Physikers Jean Jeener. Auch die wissenschaftliche Anerkennung stieg: 1983 erhielt er die Goldmedallie der wissenschaftlichen Gesellschaft für Magnetresonanz in der Medizin. 1986 folgte der Marcel-Benoist-Preis – eine der bedeutendsten Auszeichnungen in der Schweiz.

1991 Chemie-Nobelpreis und festlicher Empfang in Winterthur

Richard R. Ernst sass am 16. Oktober 1991 in einem Flugzeug von Moskau nach New York, als der Pilot zu ihm kam und ihn zu sich ins Cockpit einlud. Dort erwartete ihn ein Anruf aus Stockholm. Er war mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet worden. In Winterthur wurde der frischgebackene Nobelpreisträger frenetisch empfangen. Stadtpräsident Martin Haas rühmte den Chemiker anlässlich des offiziellen Empfangs beim Stadthaus als waschechten Winterthurer. Schon bald wurde der ganze Rummel dem Chemiker jedoch zu viel, vor allem auch deshalb, weil sein ETH-Kollege Kurt Wüthrich nicht ausgezeichnet wurde. Die Beziehung zwischen den beiden Wissenschaftler nahm dadurch erheblichen Schaden und sie führten keine gemeinsamen Projekte mehr durch. Erst 2002, als Wüthrich ebenfalls den Nobelpreis erhielt, kam es zu einer Versöhnung.  

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): Interview mit dem Nobelpreisträger Richard R. Ernst. Sendung Menschen, Technik Wissenschaft (MTW), 24.10.1991

Ein Preisträger mit Vorbildfunktion

Richard R. Ernst war ein Schweizer Chemiker. Er gilt als Wegbereiter für die Entwicklung der Magnetresonanztomographie (MRT). Für seine Forschungsleistungen im Bereich der physikalischen Chemie erhielt er 1991 den Nobelpreis in Chemie. Der Professor an der ETH Zürich war stark in seiner Heimatstadt Winterthur verwurzelt und wohnte zeitlebens hier.

Musikliebhaber und Thangka-Sammler

Privat war Richard R. Ernst ein grosser Musikliebhaber und Gönner des Musikkollegiums Ab 1968 entwickelte die Person während einer Reise nach Nepal eine Leidenschaft für Thangkas und legte eine Sammlung an. Dabei handelt es sich um genau definierte Rollbilder des tantrischen Buddhismus. Bis 2018 umfasste die Sammlung von Richard R. und Magdalena Ernst fast 1000 Objekte. Danach verkauften sie einen grossen Teil davon, da die sachgerechte Konservierung im Eigenheim nicht mehr möglich war.

Autobiografie und Ehrung

Richard R. Ernst führte seit 1995 ein persönliches Tagebuch. 2020 veröffentlichte er seine Autobiografie, die er mit Matthias Meili verfasste. 2021 blickte er in einem Kurzfilm-Interview auf sein Lebenswerk zurück. Am 4. Juni 2021 verstarb der 87-jährige Chemieprofessor in Winterthur.

2023 benannten die Verantwortlichen einen geplanten öffentlichen Quartierpark am Anfang der Sulzerallee nach ihm.


Benutzte und weiterführende Literatur

Wokaun, Alexander: Richard Ernst - ein persönlicher Nachruf, in: ETH DCHAB, 14.06.2021
Ernst, Richard R.: Richard R. Ernst. Nobelpreisträger aus Winterthur. Autobiografie, Baden 2020.

Bibliografie

    Ernst, Richard, 1933-2021, Professor für physikalische Chemie, Nobelpreisträger

    • Einträge ab 2011

      Glogger, Beat: Meine Frau sagt, ich hätte abstruse Ideen. In: Glogger, Beat (Hrsg.): Zürcher Pioniergeist. Lehrmittelverlag Zürich, Zürich, 2014. S. m. Abb. 26-31.
      Ernst, Richard R.: Richard R. Ernst. Nobelpreisträger aus Winterthur. Autobiographie. Baden, 2020. 282 S., ill.
      Kirchheim, Eva: Nachrufe. Richard R. Ernst. In: Winterthurer Jahrbuch 2021/22. S. 179-180. m.Abb.
      Hotz, Michael: Lebensbilanz eines Nobelpreisträgers auf Film. In: 84XO - Die neue Wochenzeitung, Nr. 5. m.Abb.
      Isler, Fiona: Nobelpreisträger aus Oberi. Ein filmisches Portrait über Richard R. Ernst. In: Oberi Zytig, Nr. 242 (2022). S. 7. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Nobelpreis 1991: Landbote 1991/240 1Abb., 243 1Abb., 245 Interview, 1Abb. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1991/243 1Abb. - Oberi Zytig 1991/90 von Remo Strehler, m.Abb. - NZZ 1991/241 S.9+53. - Andelfinger Zeitung 1991/122 1Abb. - Schweizer Illustrierte 1991/43 m.Abb. - Zürcher Oberländer 1991/241 1Abb. - Stadtanzeiger 1991/43 Stationen im Leben..., m.Abb. - Wochenexpress 1991/44 die Frau neben dem berühmten Forscher (Magdalena Ernst-Kielholz), von Dominique Müller, m.Abb. [Winterthurer Dok.1991/20]. - Spektrum der Wissenschaft 1991/12 von Harald Günther. - Schweizer Familie 1991/49 von Klaus Lieber, m.Abb. - ETH-Bulletin 1991/238, 1992/241 [Rede] von Jakob Nüesch. - Physikalische Blätter 1991/12 47.Jg. S.1070 Hochauflösende NMR-Spektroskopie, von Christian Griesinger. - Prof. Richard Ernst [curriculum vitae, Auszeichnungen...] 1991, 4 Bl. Fotokopie [Winterthurer Dok.1991/21].
      Nobelpreis-Uebergabe: Schweizer Illustrierte 1991/51 von Nik Niethammer, m.Abb. - Landbote 1991/285, 287 1Abb.
      Matinée im Stadthaus: Landbote 1991/291 m.Abb. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1991/291 1Abb. - Weinländer Zeitung 1991/145.
      R. E., Nobelpreisträger für Chemie: Winterthurer Jahrbuch 1993/ von Lukas Braunschweiler, m.Abb.
      Interview: Zürcher Oberländer 1993/78 1Abb.
      Dr. h.c. Universität Zürich: Landbote 1994/100 1Abb.
      Nach dem Nobelpreis: Tages-Anzeiger 1996/235.
      Strahlefrau im Schatten: Stadtblatt 1998/22 von Guido Weber, m.Abb.
      Pensionierung: Winterthurer Arbeiterzeitung 1998/54 von Irène Troxler, 1Abb.
      Ohne Chemie kein Leben, ohne chemische Technologie kein Überleben: Zhwinfo 2001/8 von Richard Ernst, 1Abb.
      70: Stadtblatt 2003/33 Interview, 1Abb.
      Diplomand Richard E. aus W.: Winterthurer Jahrbuch 2004 von Matthias Erzinger, m.Abb.
      In: Tages-Anzeiger 2005/91 150 Jahre ETH.
      Als Schüler: Tages-Anzeiger 2007/170 m.Abb.
      Erhält Winterthurer Löwe: Landbote 2008/205 1Abb. - NZZ 2008/205 S. 54. - Stadtanzeiger 2008/37 1Abb.
      Stiftungsrat Tibetinstitut: Stadtanzeiger 2008/39 m.Abb.
      In: Lexika.tanto.de, 2 S.[Winterthurer Dok.2009/25]


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
23.07.2024