Verkehr und Infrastruktur

Bahnhof Wülflingen

Wydenweg

Der Bahnhof Wülflingen wurde 1876 etwas Abseits vom Dorf errichtet. 1908 erfolgte der Neubau eines steinernen Stationsgebäudes. Seit 1945 ist die dazugehörige Bahnlinie elektrifiziert.


Baujahr
1875


Adresse
Bahnhof Wülflingen
Wydenweg
8408 Winterthur

Beim 1876 eröffneten Bahnhof Wülflingen handelte es sich um ein billig produziertes und standartisiertes Holzgebäude, das die Nordostbahn für alle kleinern Bahnhöfe benutzte. Es enthielt neben einem Güterschuppen und der Bahnhofshalle auch die Wohnung des Bahnwarts. 
Foto: winbib, Georg Heklau (Signatur 111896)

Wilder Westen bei den Bahnbetrieben

Im 19. Jahrhundert erwachte in der Schweiz das Eisenbahnfieber. Damals war der Bahnbetrieb noch kantonal geregelt und verschiedene private Bahngesellschaften buhlten um die lukrativsten Konzessionen. Bedeutend für die Region Winterthur war unter anderen die Nordostbahn-Gesellschaft (NOB). Diese eröffnete am 15. April 1857 die Linie von Winterthur nach Schaffhausen. Fortan fuhren täglich in jede Richtung drei Züge durch die Gemeinde Wülflingen. Letztere konnte aber nicht von dem technologischen Fortschritt profitieren, weil sie sich keinen geeigneten Standort für den Bau eines Bahnhofs sichern konnte. Ebenfalls waren einflussreiche Personen aus Wülflingen und auch Neftenbach gegen das Bahnprojekt. Die Linie führte schliesslich entlang des Lantig weit am Dorfkern vorbei.

Rieter schnappt Wülflingen den Bahnhof weg

Um 1870 plante die NOB den Bau der Eisenbahnlinie Winterthur-Bülach. Dabei war Wülflingen als Zweigstation vorgesehen und mittlerweile befürwortete auch die Bevölkerung eine eigene Bahnhofstation. Abermals sollte Wülflingen jedoch leer ausgehen, denn der Textilmaschinenfabrikant und Ständerat Heinrich Rieter spendete der finanziell angeschlagenen NOB rund 100'000 Franken unter der Bedingung, die geplante Linie durch Töss führen zu lassen. Auf diese Weise sicherte sich Rieter den Eisenbahnanschluss für seine Fabrik.

Der Güterverkehr war damals so geregelt, dass immer die kürzeste Strecke genutzt werden musste und so verlief der Streckenabschnitt von Töss nach Pfungen direkt dem linken Tössufer entlang, womit das Dorf Wülflingen abermals leer ausging. Stattdessen entstand etwas Abseits beim Beerenberg 1875 eine Bahnstation. Dabei handelte es sich um einen einfachen sowie ab Stange produzierten Holzbau, wie sie bei den Bahngesellschaften zu dieser Zeit üblich waren. Sie umfassten einen Güterschuppen, eine Bahnwartwohnung, ein Büro ein Abtritt für die Passagiere. Zur Standardausstattung gehörte zudem ein Brunnen, eine Bahnhofsuhr und eine Stationsglocke. So sahen die Bahnstationen Töss, Wülflingen und Pfungen genau gleich aus. Der für den Bau verantwortliche Chefarchitekt der Nordostbahn war Heinrich Gmelin. Die Holzbauten gelten architekturhistorisch als frühe Vertreter des Schweizer Holzstils. 

Vom Stationsgebäude zum Güterschuppen

Als die Bahnlinie Winterthur-Koblenz am 1. August 1876 den Betrieb aufnahm war den Einheimischen kaum zum Feiern zu Mute. Unter den Bahnkönigen herrschte dicke Luft. So wurde Alfred Eschers Dampflokomotive seiner Nordostbahn-Gesellschaft in Winterthur kühl begrüsst. Die städtischen Demokraten unterstützten mit der Nationalbahn die Konkurrenz. Auch in Wülflingen nahm die Begeisterung für den Bahnanschluss bald ab, denn durch die neue Bahntrasse war die Zufahrt zum Beerenberg erschwert.

Nachdem 1901 die Nordostbahn-Gesellschaft liquidiert wurde, ging die Bahnstrecke an die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Diese baute das Netz stark aus. Davon profitierten auch nahe Industriebetriebe, die eigene Gleise erhielten. 1908 erfolgte der Ausbau der Bahnstation Wülflingen durch die SBB. Auch bei dem nun in Stein ausgeführten Bahnhofsgebäude handelt es sich um einen normierten Gebäudetyp der SBB. Die Ausführung ist dabei äusserst aufwendig und hochwertig gestaltet, was ein Ausdruck des damaligen Selbstverständnisses der Schweizerischen Bundesbahnen darstellt. Im Gegensatz zum Holzgebäude ist das neue Bahnhofsgebäude zudem unterkellert. Der Baustil entspricht dem Übergang vom Spätklassizismus in den historistisch geprägten Reformstil. 

Ein grosses Freudefest herrschte im Sommer 1945, als die Bahnstrecke elektrifiziert wurde. Alle Bahnhöfe entlang der Linie putzten sich für den Anlass heraus und es herrschte Volksfeststimmung. Bis etwa in die 1990er-Jahre war Wülflingen ein Rangierbahnhof – vorwiegend für Güterwagen nach Pfungen.

Bis 2005 waren die Bahnschalter in Wülflingen bedient. Im Zuge der Automatisierung des Bahnbetriebs war eine personelle Besetzung jedoch nicht mehr nötig.

Bahnhof Wülflingen wird zur Filmkulisse

Im Juli 2007 herrschte beim Bahnhof Wülflingen reges Treiben. Eine ganze Filmcrew war aufmarschiert. Im Film «Faut que ça danse» spielt der Bahnhof Wülflingen einen Grenzbahnhof zu Frankreich. Nach gut einer Stunde war die Szene auch schon im Kasten und die Filmcrew zog sich ins Restaurant «Bahnhöfli» zum Abendessen zurück.

Die Vision einer «Stadtbahn Winterthur»

Die relative Abgeschiedenheit des Bahnhofs blieb auch in den 2000er-Jahre ein Problem. Er in Wüflingen seinen Zug verpasste, sass in der Regel für mindestens 30 Minuten dort fest. Stadtrat Matthias Gfeller (Grüne) wollte Abhilfe schaffen und brachte die Idee einer «Stadtbahn» nach dem Vorbild von Zug ins Spiel. Ziel des Projekts war die Einführung des Viertelstundentaktes für alle städtischen Bahnhöfe. In Winterthur flammte bei dem Thema wieder eine gewisse Strassenbahn-Sehnsucht auf. Obwohl die Idee viel Zuspruch erhielt, wurde sie immer wieder verworfen, weil die bestehende Infrastruktur deutlich hätte ausgebaut werden müssen. Stattdessen verlängerte Stadtbus die Linie 7 bis zum Bahnhof und baute den Fahrplan sukzessive aus.

2022 baute die SBB das stillgelegte Gleis 1 zurück und gestaltete den Bahnsteig barrierefrei.  


Wissen Sie mehr?

Wissen Sie mehr zur Geschichte des Bahnhofs Wülflingen, insbesondere während der Zeit zwischen 1960 und 1990? Besitzen Sie Fotografien aus dem Innern des Gebäudes? Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.


Benutzte und weiterführende Literatur

roh,: Bahnhof Wülflingen wird stufenlos, in: Der Landbote, 18.02.2022.
Sollberger, Raphael: Bahnhof Winterthur Wüflingen, Aufnahmegebäude und Güterschuppen, in: Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung, Band 5., 2018, S. 130–132.
Fritsche, Peter: Stadtbahn-Idee kommt langsam in Fahrt, in: Der Landbote, 02.07.2010.
Scholz, Miachel: Verlängerte Linie 7 eingeweiht, in: Der Landbote, 12.12.2009.

Fritsche, Peter: Mehr Bahn für den Westen der Stadt, in: Der Landbote, 30.03.2009.
Baumann, Katharina: Trotz Ausbau noch unglückliche Fahrgäste, in: Der Landbote, 10.12.2008.
Gmür, Martin: Winterthurs Busse fahren ab 2009 häufiger, in: Tagesanzeiger, 16.05.2008. 
Abt, Ueli: Ein Hauch von Hollywood in Wülflingen, in: Der Landbote, 28.07.2006.
Verein Dorfmuseum Wülflingen: Aus Wülflingens Eisenbahngeschichte, Wülflingen 2006.
Ziegler, Peter: Wülflingen, Winterthur 1975 (305. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur).
Siegenthaler, Rainer (et.al.): Der direkte Weg von Paris nach Konstantinopel führt durch den Dettenberg. 100 Jahre Eisenbahn Winterthur – Koblenz. 1876–1976, Bülach 1976 (26. Neujahrsblatt der Lesegesellschaft Bülach).

Bibliografie

    Station Wülflingen

    • Einträge ab 2011

      Müller, Werner: Alt und (wieder) neu. In: Wulfilo, Nr. 6 (2016). S. 14-16. m.Abb.
      Meyer, Janine: Faszination Bahnhof Wülflingen, Nr. 55 (2017). S. 32-33.

      Einträge 1991–2010

      Geschichte: Wülflinger Dorfspatz 1997/2 Auf den Spuren der Stadtvereinigung, von Natascha Battus, m.Abb.
      Bahnhof-Fest, Loktaufe: Landbote 1997/106.
      Schliessung Bahnschalter: Landbote 2005/63. - Wulfilo 2006/1 23. 12. 05 m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
15.06.2024