Kirchengebäude

Kirche St. Ulrich

Seuzacherstrasse 1

Das Architektenduo Felix Loetscher und Robert Tanner gestaltete das 1971 eröffnete kirchliche Zentrum St. Ulrich im Winterthurer Rosenberg-Quartier. Das Projekt "Oase" bietet einen Ruhepol zwischen der stark befahrenen Strasse und dem Einkaufszentrum Rosenberg.


Baujahr
1971

Sanierung:
2012/2013


Adresse
Römisch-Katholische
Pfarrei St. Ulrich
Seuzacherstrasse 1
8400 Winterthur

Das Projekt «Oase» von Robert Tanner und Felix Loetscher konzipierte die Kirche als formschöner und doch zurückhaltend gestalteter Sakralbau. Kirche, Pfarreizentrum und Pfarrhaus sind so angeordnet, dass sie die Besuchenden von der lärmigen Strasse und vom Einkaufszentrum abschirmen und über einen Innenhof in die ruhige Kirche leiten. Aufnahme 1971.
Foto: winbib, Hans Häberli (Signatur 101284)

Geschichte

1954 erwarb die römisch-katholische Kirchgemeinde Winterthurer in Veltheim ein erstes Areal für den Bau einer Kirche, die aber an diesem Standort nicht realisiert werden konnte. Stattdessen wurde zu Beginn der 1960er-Jahre das Grundstück im Rosenberg gekauft, auf dem dann die Kirche St. Ulrich errichtet wurde. Unter dem Vorsitz des Stadtbaumeisters Karl Keller wurden hierfür 21 Projekte geprüft. Als Sieger ging das Projekt «Oase» von Robert Tanner und Felix Loetscher hervor. 1969–1971 wurde das kirchliche Zentrum errichtet, das Bischof Johannes Vonderach am 21. März 1971 weihte. Am 1. November 1971 wurde St. Ulrich zur eigenständigen Pfarrei erhoben. 2012/2013 wurde die Kirche samt Nebengebäuden durch Markus Jedele saniert.

Für das Architektenduo Robert Tanner und Felix Loetscher ist dies der erste Kirchenbau. Es folgen noch sechs weitere kirchliche Bauprojekte im Kanton Zürich, darunter die umfassende Innenrenovation der katholischen Kirche St. Josef in Winterthur-Töss (1976 ­– 1977).

Architektur & Kunst

Zwischen zwei stark befahrenen Strassen und in unmittelbarer Nachbarschaft des Einkaufszentrums Rosenberg erhebt sich St. Ulrich als formschöner und doch zurückhaltend gestalteter Sakralbau. Kirche, Pfarreizentrum und Pfarrhaus sind so angeordnet, dass sie die Besuchenden von der lärmigen Strasse und vom Einkaufszentrum abschirmen und über einen Innenhof in die ruhige Kirche leiten. Der wuchtige, aber nicht hohe Glockenturm überragt das Gotteshaus nur wenig, was an die Gestaltung etlicher turmloser Kirchen der 1970er-Jahre erinnert. Das Innere wurde bewusst als leerer, luftiger Raum gestaltet. Die Fenster lassen viel Tageslicht in die weiss gestrichene Kirche eindringen, was ihre Gestalt je nach Tageszeit und Lichtverhältnissen ändert.

Die Architekten konzipierten das Innere von St. Ulrich in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin Rosa Studer-Koch und schufen ein Gesamtkunstwerk mit Symbolkraft: So versinnbildlicht die abgerundete Rückwand die Hand Gottes, welche die Gläubigen liebevoll bergend umfängt. Geprägt vom II. Vatikanum (Versammlung der römisch-katholischen Weltkirche, 1962–1965) betont der Kirchenraum die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich ohne hierarchische Distanz von Seelsorgenden und Kirchenvolk um den Altar als Tisch des Brotes versammelt. Deshalb ist der Altar am niedrigsten Punkt des Raumes aufgestellt. Gleichzeitig verweist diese Positionierung auch auf die Menschwerdung Gottes, der als Jesus Christus in diese Welt hinabgestiegen ist. Der Altar besitzt zwölf Säulen, die an die zwölf Stämme des Volkes Israel, aber auch an die zwölf Apostel erinnern. Die Altarsäulen bestehen aus Eisenbahnschwellen, über die viele Menschen hinweggefahren sind. Sie tragen die Tischplatte, die aus neuem Holz gefertigt wurde. Dieses Getragenwerden des neuen Holzes durch das alte verweist darauf, dass die Kirche von heute auf den Leistungen früherer Generationen aufbaut. Der Taufstein ist als Taufbrunnen mit sprudelndem Wasser gestaltet; so wird das Jesuswort «Ich bin das lebendige Wasser» mit dem Sakrament der Taufe verbunden.

An den Kirchenraum ist eine Sakramentskapelle angefügt, die den Gläubigen die Möglichkeit bietet, vor dem Tabernakel (ein kunstvoll gestalteter Schrein zur Aufbewahrung von bei der Messe nicht ausgeteilten konsekrierten Hostien) zur Ruhe und zum Gebet zu kommen. Im Gegensatz zur Kirche wird in der Sakramentskapelle die Senkrechte betont. Der Tabernakel besteht aus einem Kreuz, das fast nur aus dem zum Himmel aufragenden Holz gebildet wird. Ein dritter sakraler Raum ist die Marienkapelle, die einer Hauskirche der ersten Christinnen und Christen nachempfunden ist. Ursprünglich war gedacht, dass sich die Gemeinde in diesem Raum um einen grossen Tisch sowohl zum Abendmahl als auch zum weltlichen Mahl hätte versammeln können. Diese Idee konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Bei der Sanierung von St. Ulrich im Jahr 2014 ergänzte Thomas Rutherfoord die ursprüngliche Gestaltung der Kirche durch zwei Kreuze: Das eine befindet sich im Kirchenraum und ist fest in der Erde, im diesseitigen Leben verankert, das andere ist ein neu geschaffenes Turmkreuz, das die Kirche mit dem Himmel verbinden soll.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Weber, Markus: Sakrales Zürich. 150 Jahre katholischer Kirchenbau im Kanton Zürich, Ruswil 2018.
Haselbach, Zita: Theologie des Kirchenraums. In: Pfarreibulletin St. Peter und Paul, St. Ulrich, Ausgabe Dezember 2013 bis Februar 2014, S. 18-20.
Niederhäuser, Peter: Von der Diaspora zur Ökumene. 150 Jahre römisch-katholische Kirchgemeinde Winterthur, Winterthur 2012.
Niederhäuser, Peter und Pescatore, Flurina: St. Peter und Paul. Die Mutterkirche von Katholisch Winterthur, Winterthur 2006.
«Hochwacht», 20.03.1971: Pfarreizentrum St. Ulrich, Rosenberg.

Bibliografie

    Kirche St. Ulrich

    • Einträge ab 2011

      Sedioli, Claudia: Neuer Glanz für St. Ulrich. In: Gallispitz, Nr. 158 (2013), S. 20-21. m.Abb.
      Jedele, Markus: Kreuzaufrichte im Rosenberg. In: Winterthurer Jahrbuch (2015). S. 40- 45. m. Abb.

    Loetscher, Felix, 1934-2021, Architekt

    • Einträge ab 2011

      Brunner, Hansjörg: Ein sportlicher Architekt. In: Der Landbote , Nr. 34 (2021). S. 3. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Landbote 2003/76 von Stefan Busz, 1Abb.

    Studer-Koch, Rosa, 1907-1991, Bildhauerin

    • Einträge 1991–2010

      Landbote 1991/93 m.Abb., 96 S.29 Alles immer neu in Frage stellen..., von Felix Loetscher, m.Abb.
      Ausstellung Sigristenkeller, Bülach: Landbote 1991/137 m.Abb.
      Landbote 1997/264. - Weinländer Zeitung 1997/134 Leben, 1Abb.

    Rutherfoord, Thomas, 1956-, Kunstmaler, vorher Elgg, jetzt Winterthur

    • Einträge 1991–2010

      Zürcher Oberländer 1993/202 1Abb.
      Ausstellungen. Gal. PulsArt: Weinländer Zeitung 1993/141. - Kunstmuseum Winterthur: Landbote 1996/97, 101 von Franz Müller, 1Abb., 110 mit Konzert.
      Werkhalle Wülflingen: Landbote 2003/29.3.
      Kunst am Bau Sennhof und Haltenreben: Landbote 2007/193 von Adrian Mebold, 1Abb.


Autor/In:
Markus Weber
Letzte
Bearbeitung:
12.11.2024