KMU und Gewerbe

Einkaufszentrum Rosenberg

Schaffhauserstrasse 154

Das 1973 eröffnete Einkaufszentrum Rosenberg gehört zu den ältesten nach amerikanischem Vorbild errichteten Shopping-Malls der Schweiz. Bauherrin war der Detailhändler Au Bon Marché (ABM). Im Jahr 2000 kaufte die Migros-Ostschweiz das Gebäude. Zwischen 2009 bis 2011 folgte ein Neubau, der dem Zentrum den Spitznamen «Warzenbunker» einbrachte.


Neubau
2009-2011

Gründungsdatum
1973


Adresse
Einkaufszentrum Rosenberg
Schaffhauserstrasse 154
8400 Winterthur

Das ursprüngliche ABM-Zentrum von 1973 war baulich schlicht gestaltet und verfügte bei seiner Eröffnung über sechs Spezialgeschäfte. Sehr beliebt waren insbesondere der Schneeberger Frischmarkt und Cindy's Diner.
Foto: winbib, Lajos Kotay (Signatur: 011781)

Der «American Dream» erreicht Winterthur

Im Zuge der Nachkriegseuphorie wurde die Schweiz von einer bisher unbekannten Konsumlust gepackt. Die Kombination mit der gleichzeitig einsetzenden Massenmotorisierung verhalf einem neuen Bautyp zum Durchbruch: Das Einkaufszentrum. Ab den späten 1960er-Jahren schossen diese Zentren, oft an Autobahnausfahrten gelegen, wie Pilze aus dem Boden und boten ein neuartiges Einkaufserlebnis. In Winterthur machte das Zentrum Töss im Jahr 1970 den Anfang. 

Während das Zentrum Töss aus dem städtebaulichen Bedürfnis nach einem modernen Quartierzentrum hervorgegangen ist, herrschten beim Bau des Einkaufszentrums Rosenbergs andere Vorzeichen. Initiator war der zur Globus-Gruppe gehörende Detailhändler Au Bon Marché (ABM), der seit 1958 eine Filiale in der Marktgasse betrieb. Der Platz dort war beschränkt und die Stimmen nach einer autofreien Altstadt wurden mit jedem verstrichenen Jahr immer lauter. Diese Entwicklung stellte für die Geschäfte eine Herausforderung dar und so fand die von der ABM angestossene Idee eines neuen Warenhauses samt Spezialgeschäften auf reges Interesse. Ein geeigneter Standort war bald gefunden, nämlich im aufstrebenden Quartier Veltheim, direkt in der Nähe zur Autobahnausfahrt Ohringen. Dort gab es etwas, was in der Altstadt schmerzlich vermisst wurde: Viel Platz für Parkmöglichkeiten. 

Modernes Einkaufserlebnis

So entstand 1973 im 24'000 Quadratmeter umfassenden Areal zwischen der Seuzacher- und Schaffhauserstrasse in nur 18 Monaten das Einkaufszentrum Rosenberg. Gebaut wurde es nach den Plänen der Architekten Rudolf Klemenz und Fritz Flubacher. Das Konzept stammte von B. Limberger. Er ging davon aus, dass die motorisierten Kundinnen und Kunden möglichst schnell ihren gesamten Einkauf erledigen wollen und daher alle Dinge unter einem Dach erwarten. Entsprechend verfügte das dreigeschossige ABM-Zentrum neben einem Supermarkt und grossen Warenhaus inklusive Möbelausstellung auch über viele Spezialgeschäfte. Architektonisch war das Einkaufszentrum keine Augenweide: Es handelte sich um eine Stahlkonstruktion mit vorfabrizierten Betonelementen, das vor allem funktional sein sollte.

Im Innern lockte das Zentrum mit knalligen Farben und sechs verschiedenen Geschäften, darunter ein grosser Frischmarkt von der Firma Schneeberg, Vögele Schuhe, einem Kiosk mit Buchverkauf sowie einer chemischen Reinigung. Eine Besonderheit stellte die neue Filiale der Schweizerischen Volksbank dar, diese verfügte nämlich über einen «Autoschalter». Das Gespräch fand über einen Fernseher mit Gegensprechanlage statt, ebenfalls konnten die Kundinnen und Kunden Geld abheben, das dann mittels Rohrpost direkt ins Auto geschickt wurde. Eine weitere Sensation war das Selbstbedienungsrestaurant «Cindy’s Diner» im Volksmund allerdings einfach «Cindy» genannt, das von der Mövenpickkette in Zusammenarbeit mit Nestlé betrieben wurde und mit Pizza und anderen schnell zubereiteten Köstlichkeiten ihre Kundschaft verwöhnte. Damit handelte es sich in der Schweiz um einen Vorläufer der späteren Fastfoodketten. Das «Cindy» etablierte sich schon bald als beliebter Treffpunkt.

Im Gegensatz zum Zentrum Töss wurde beim Einkaufszentrum Rosenberg auf weitere Nutzungen und Infrastrukturen wie beispielsweise eine öffentliche Bibliothek, Hotel und Wohnräume verzichtet. Stattdessen gab es eine integrierte Shell-Tankstelle. Eine eigentliche Integration in das umliegende Quartier fand damit nicht statt und auch der Anschluss an den Öffentlichen Verkehr gab zu reden, weil die Busreisenden erst den Parkplatz queren mussten um in das Zentrum zu gelangen. Auch gab es zu Stosszeiten jeweils ein Verkehrschaos.

Von altägyptischen Skulpturen bis zur Reptilienschau

Das Einkaufen sollte zum Erlebnis werden. Deshalb wurden die freien Flächen vor den Ladenfronten für Ausstellungen und Präsentationen genutzt. Dabei rührte ABM in den Anfängen mit der grossen Kelle an. So zeigte das Einkaufszentrum im Oktober 1973 rund 28 Originalkopien von altägyptischen Plastiken aus den «Ateliers de Moulage du Musée du Louvre, Paris». Diese Ausstellung tourte durch mehrere Einkaufszentren in der Schweiz. Ebenfalls fanden während dem Abendverkauf regelmässig Jazzkonzerte statt. Das Zentrum verströmte somit das Odeur der grossen weiten Welt, doch auch die lokalen Institutionen und Vereine kamen auf ihre Kosten. So gab es auch Briefmarkenausstellungen, Modellflugzeug Präsentationen, Reptilienschauen und auch Blutspendeaktionen. Rund 143 solcher Aktivitäten fanden alleine zwischen 1973 und 1978 statt. 

Krise und Übernahme durch Migros Ostschweiz

Die neuen Einkaufszentren stiessen nicht überall auf Zuspruch. Kritikerinnen und Kritiker fürchteten, dass sie längerfristig das etablierte Kleingewerbe verdrängen könnten.  Tatsächlich florierte das Rosenberg und konnte sogar 1980 noch substanziell erweitert werden, unter anderem durch einen Herren-Globus. In den 1990er-Jahre geriet der Detailhandel in der Schweiz zunehmend unter Druck. Das mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Einkaufszentrum Rosenberg verlor zudem an Strahlkraft und ABM rutschte in die roten Zahlen. Der Konzern musste deshalb die eigenen Ladenflächen verkleinern. Im Zuge dieser Umstrukturierung eröffnete erstmals in der Geschichte des Einkaufszentrums eine Migrosfiliale im Rosenberg, die sehr gute Umsatzzahlen erreichte. Dies führte allerdings dazu, dass die kleine Migros-Filiale an der Schaffhausenstrasse in Veltheim nicht mehr rentierte und 2000 geschlossen wurde. Im Jahr 2003 gab ABM endgültig auf und schloss ihre letzte Filiale. Die Migros Ostschweiz übernahm darauf das Gebäude.

Neubau und bessere ÖV-Anbindung

Im Jahr 2005 gab Migros Ostschweiz bekannt, dass das inzwischen deutlich in die Jahre gekommene Einkaufszentrum komplett abgebrochen und durch einen 150 Millionen teuren Neubau ersetzt werden sollte. Durch den Neubau wurde nicht nur die Ladenfläche verdoppelt, sondern die Fläche sollte durch den Einbau von rund 150 Wohnungen besser ausgenutzt werden. Dadurch sollte das Einkaufszentrum auch städtebaulich besser mit dem Quartier verschmelzen. Mit der Planung und Umsetzung wurde das Atelier ww vom Architekten Walter Wäschle beauftragt. 

Die Stadt Winterthur verpflichtete die Migros im Zusammenhang mit dem Neubau dazu, die Verlängerung der Buslinie Nr. 3. zu finanzieren. Für Kritik sorgten allerdings die 721 beantragten Parkplätze, gegen welche der Verkehrsclub der Schweiz (VCS) rekurrierte und den Fall bis vor das Zürcher Verwaltungsgericht zog – ohne Erfolg. Letztlich musste die Migros aber dennoch zähneknirschend hinnehmen, dass ihr nur 300 Kundenparkplätze bewilligt wurden. Dafür gab es 450 Veloparkplätze. Weitere Einsprachen gab es von Seiten der Heimstättengenossenschaft (HGW), die eine schallabsorbierende Aussenfassade verlangte. Dadurch verzögerte sich das Bauvorhaben bis ins Jahr 2009. Während den Bauarbeiten, die bis 2011 dauerten, konnten die Kundinnen und Kunden ihre Einkäufe in einem Provisorium erledigen. Der Neubau markierte eine Zäsur in der Geschichte des Einkaufszentrums. Besonders dem «Cindy’s Diner» trauerte die Winterthurer Bevölkerung nach. Ab 2020 gab es dann aber wieder Fastfood und zwar mit dem Zuzug der Burgerkette «Hans im Glück».

«Räppli- oder Warzenbunker»

Schon bald fuhren die Bagger auf und das neue Einkaufszentrum nahm sukzessive Gestalt an. Einen kostspieligen Rückschlag erlitt die Bauherrschaft in Folge eines Brandes im November 2010, der einen Sachschaden von über 1.3 Millionen Franken verursachte. Der Neubau präsentiert sich als markanter, weiss gestrichener Solitärbau, der durch vier Wohntürme charakterisiert wird. Für Aufsehen sorgte vor allem die Aussenfassade, die mit einer «perlenden» Betonhaut überzogen ist. Die regelmässigen kreisrunden Erhebungen wurden in der Folge mit unterschiedlichen Spitznamen belegt, so beispielsweise «Räppli- oder Warzenbunker», «Nippeldom», «Trutzburg», «Plattenbau», «Festung» oder auch «Legogebäude». 

Während das äussere Erscheinungsbild und auch die Dimensionen für einige Kritik sorgten, konnte das Innere aber überzeugen: Am 7. April 2011 eröffnete das Zentrum mit 40 Filialen. Speziell ist auch der eingebaute Schräglift, der mit einer Neigung von rund 11 Prozent die verschiedenen Stockwerke erschliesst. Damit entging die Anlage nur knapp einer offiziellen Klassifizierung als Bergbahn.

Preisgekrönt und erfolgreich

2012 erhielt das neue Einkaufszentrum von der Standortförderung Winterthur den lokalen Stellenschafferpreis verliehen. 81 Stellen hat die Migros im Zuge der Neueröffnung geschaffen. Ebenfalls diente das Zentrum in der Folge immer wieder zum Testen neuer Innovationen, wie beispielsweise die Integration der Post in die Kioskfilialen (2012) und die Einführung von den ersten Selbstscan-Automaten (2013) sowie XXL-Parkplätze (2014). Unverändert blieb das ursprüngliche Konzept der Belebung des Zentrums durch unterschiedliche Aktivitäten. Neben Ausstellungen und Konzerten gab es ab 2015 auch einen «Mutter-Tochter-Paar»-Talentwettbewerb. 

Das Zentrum Rosenberg etablierte sich nicht nur als eines der grössten Einkaufszentren in der Region sondern zeitweies auch eines der Umsatzstärksten der Schweiz (2018).

Pandemiejahre und Jubiläum

Ab 2020 setzte im Rosenberg ein ausgedehntes Ladensterben ein. Dieses war nicht direkt auf die damals grassierende Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern auf die sukzessive Verlagerung in den Onlinehandel. Betroffen war vor allem die Textilbranche. Ungewöhnliche Bilder gab es 2021: Dann wurde im Rosenberg nämlich nicht nur eingekauft, sondern im kurzfristig untergebrachten Kantonalen Impfzentrum auch gepiekt.
2023 feierte das Einkaufszentrum sein 50-jähriges Bestehen. Im Oktober desselben Jahres führte das Einkaufszentrum vermutlich als erstes in Winterthur die personalisierte Werbung ein.


Benutzte und weiterführende Literatur

Speiser Regina: 50 Jahre Einkaufszentrum Rosenberg, in: Winterthurer Jahrbuch 2023, Zürich 2023, S. 182–183.
Niederhäuser, Peter: Einkaufen in Winterthur: vom Warentempel zum Warzenbunker, in: Der Landbote, 12.04.2023.
Bachmann, Delia: Dem Rosenberg laufen die Läden davon, in: Der Landbote, 28.05.2021.
Donzé, René: Eine «Warzenburg» voller Läden, in: Tages-Anzeiger, 07.04.2011.
Gurtner, Christian: Migros erwartet Ansturm, in: Der Landbote, 07.04.2011.
Donzé, René: Winterthurs Warzenbunker, in: Tages-Anzeiger, 24.02.2011.
Scheibler, Ulrich: «Burg» am Eingang zur Stadt, in: Der Landbote, 16.02.2011.
Gurtner, Christian: Rosenberg: Die Migros lüftet den Schleier, in: Der Landbote, 09.02.2011.
Lanz, Christian/Beerli, Marius: Schweres Abschiednehmen vom «Cindy», in: Der Landbote, 30.12.2008.
Ein Provisorium fast ohne Abstriche, in: Migros-Magazin, 29.12.2008.
Lattmann, Thomas: Rosenberg: Verhärtete Fronten, in: Der Landbote, 01.07.2006.
Meyer, Ernst: Rekurse gegen Zentrum Rosenberg in Winterthur, in: Neue Zürcher Zeitung, 14.03.2006.
Schmid, Jürg: Zentrum Rosenberg: Migros muss den Ausbau des Busverkehrs finanzieren, in: Tages-Anzeiger, 11.02.2006.
Meyer, Ernst: Wohnen und Einkaufen am Rosenberg, in: Neue Zürcher Zeitung, 17.06.2005.
Kaminski, Ralf: Geld tanken am Rosenberg, in: Tages-Anzeiger, 12.04.2003.
Meyer, Ernst: Für den Detailhandel wird es immer enger, in: Neue Zürcher Zeitung, 24.12.2001.
o.A.: Fünf Jahre ABM-Zentrum Rosenberg, in: Neue Zürcher Nachrichten, 08.04.1978.
Rb.: ABM-Zentrum im Rosenberg, in: Neue Zürcher Zeitung, 12.04.1973
Ms. ABM zeigt Altägyptisches, in: Neue Zürcher Nachrichten, 12.10.1973

Bibliografie

    Zentrum Rosenberg

    • Einträge ab 2011

      Speiser, Regina: 50 Jahre Einkaufszentrum Rosenberg. In: Winterthurer Jahrbuch, 2023. S. 182-183. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      20 Jahre: Stadtanzeiger 1993/16. - Landbote 1993/99.
      PTT-Bus als Werbeträger: Weinländer Zeitung 1995/124 1Abb.
      Neue Läden (Office world, Dosenbach, Portable shop): Weinländer Zeitung 1998/34. - Landbote 1998/71.
      Filiale Migros s. dort.
      30 Jahre: Stadtanzeiger 2003/15 m.Abb. - Tages-Anzeiger 2003/86 1. Geldtankstelle der Schweiz: Tages-Anzeiger 2003/86 [Winterthurer Dok. 2003/37].
      30 Jahre: Landbote 2003/79 m.Abb.
      Oviesse. Übernahme durch C & A ?: Landbote 2004/164, 2005/61 Eröffnung, 1Abb.
      Neubau mit Wohnungen: Landbote 2005/139 1Abb. - Tages-Anzeiger 2005/139 1Abb. - NZZ 2005/139 S. 59 1Abb.
      Ende und Neubeginn: Gallispitz 2005/126 von Andres Betschart, m.Abb.
      Migros muss Ausbau Busverkehr finanzieren: Landbote Tages-Anzeiger 2006/35.
      Rekurse; Parkplätze; Ablehnung: Landbote 2006/58 1Abb., 59, 150 VCS 1Abb., 25 1Abb.. - Stadtblatt 2006/13 Parkplätze. - NZZ 2006/61 S. 55, 2007/25 S. 47.
      Rekurs VCS vor Verwaltungsgericht; Abweisung: Landbote 2007/49, 122 Rüge, 230 Entwicklungsplan, 1Abb., 271 m.Abb. - Tages-Anzeiger 2007/271 VCS unterliegt, 1Abb. [Winterthurer Dok.2007/50]. - NZZ 2007/271 S. 55. - Gallispitz 2007/135 m.Abb.
      Provisorium 2009: Landbote 2008/117, 304 Ende Restaurant "Cindy", 1Abb.
      Baustelle: Landbote 2010/197 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
13.01.2024