Kirchengebäude

Klostermühle Töss

Klosterstrasse 14

Die Ursprünge der Klostermühle reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Sie war ein wichtiger Teil der klösterlichen Wirtschaftsgebäude. Im 16. Jahrhundert baute man sie zu einer repräsentativen Anlage aus. Nach der Auflösung des Klosters war die Mühle bis ins 19. Jahrhundert in Betrieb. Danach baute die Firma Rieter das Gebäude in ein Wohnhaus und in den 1940er-Jahren in ein Lehrlingsheim um. Später diente das Gebäude als kantonales Durchgangszentrum. Nach umfangreichen Sanierungsarbeiten konnte das Gebäude 2024 als Tagungszentrum wiedereröffnet werden.


Baujahr
um 1270


Adresse
Klosterstrasse 14
8406 Winterthur

Blick auf die einstige Klosteranlage mit der Mühle im Vordergrund, vor 1820.
Foto: winbib, Franz Hegi (Signatur 082505_O)

Legendäre Anfänge

Die Geschichte der Klostermühle reicht bis in die Gründungszeit des Klosters Töss im 13. Jahrhundert zurück und spielt eine zentrale Rolle in der überlieferten Klosterlegende. So soll ein Mönch beobachtet haben, wie über der bereits bestehenden Mühle immer wieder Lichterscheinungen auftauchten. Für den Geistlichen war dies ein Zeichen, dass der Ort von Gott für die Errichtung eines Klosters ausserwählt war. Der Müller aber weigerte sich zuerst seine Mühle aufzugeben. Danach schlief er unruhig und sein Korn wurde zu schlechtem Mehl. Schliesslich hörte er eine eindringliche Stimme, die ihn aufforderte das Land preiszugeben, was er dann tat. So wurde seine Mühle zum Grundstein für das 1233 gegründete Dominikanerinnenkloster.

Teil des Klosterbetriebes

Tatsächlich hat sich die ganze Geschichte wohl wesentlich nüchterner Gestaltet. Die Mühle gehörte den Grafen von Kyburg und war Teil ihrer Schenkung an den Dominikanerorden. Die frühesten Schriftquellen, die ihre Existenz belegen, stammen aus dem Jahr 1234. Wo diese erste Klostermühle stand ist nicht bekannt, sie wurde während dem Bau des Klosters Töss abgerissen. Etwa 40 Jahre später, also um 1270 wurde dann eine neue Mühle am heutigen Standort errichtet. Dies lässt sich durch eine dendrochronologische Datierungen von Holzresten nachweisen. Im späten 15. Jahrhundert wurde diese Mühle zu einem repräsentativen Gebäude ausgebaut. Davon zeugen noch heute erhaltene und sichtbare Fenstersäulen mit eingemeisselten Wappenschildern an der Aussenfassade.

Die Mühle gehörte zu einer Gruppe von Wirtschaftsgebäuden, die von Leibeigenen und einem Vorsteher im Auftrag der Nonnen betrieben wurden und um die Versorgung des Klosters mit den notwendigen Gebrauchsgütern sicherzustellten. Neben der Mühle besass das Kloster Töss ein Kornhaus, einen Bauernhof, eine Brauerei, eine Bäckerei, verschiedene Tierstallungen und Gärten sowie Lagerhallen und Werkstätten für Schuster, Sattler, Schmiede, Küfer und Gerber.  

Weiternutzung nach der Reformation

Im Zuge der Reformation wurde das Kloster Töss 1525 aufgelöst und ging in den Besitz des Kantons Zürich über. Er nutzte es neu als Amtssitz und verpachtete die Mühle an einen Müller, der dort auch wohnte. Die Mühle hatte somit einen Wohn- und einen Wirtschaftsteil. Diese ursprüngliche Teilung ist noch heute an der Aussenfassade sichtbar: Die Südfassade im östlichen Teil weist eine dichte Durchfensterung auf, während der Mühlesaal kaum Fenster hatte. Die Mühle war für den Amtssitz von zentraler Bedeutung, da viel Getreide für die Versorgung der Armen verarbeitet werden musste. Der Einbau eines Kachelofens von Ludwig Pfau im Jahr 1625deutet auf eine repräsentative Nutzung hin. Während der Koalitionskriege zwischen 1798 und 1803 zogen über 100'000 Soldaten verschiedener Heere durch Töss und mussten versorgt werden. Das Klosterareal diente vielen von ihnen als Unterkunft, wobei die Infrastruktur stark in Mitleidenschaft gezogen wurde Danach standen die ehemaligen Klostergebäude mehrheitlich leer. 1833 versteigerte der Kanton einen grossen Teil des Klosterareals an den Höchstbietenden Fabrikanten Johann Jacob Rieter. Der dabei ausgestellte Kaufvertraggibt viele Informationen über die Ausstattung der Mühle preis. Sie verfügte über eine Küche, sechs Kammern, eine Schütte, eine Winde, ein Keller und dem Mühlesaal mit Mahlhäufen, Kelle, Mühlsteinen, Mehlkammer etc.

Von der Mühle zum Lehrlingsheim

Johann Jacob Rieter begann nach dem Kauf des Klosterareals sofort mit dem Aufbau seiner Maschinenfabrik. Die ehemaligen Mühleräder wurden abgebaut und das Gebäude zu einem Turbinenhäuschen umfunktioniert, das von dem 1853 errichteten Wuhrkanal angetrieben wurde. Wofür der Antrieb diente ist nicht bekannt. 1860 baute Rieter die Mühle in eine Gipserei um und liess zusätzliche Wohnungen einbauen. Dafür liess er den Dachstock aufstocken. 1920 wurden die Turbinen bereits wieder abgebrochen. Seither scheint das Gebäude nur noch zu Wohnzwecken gedient zu haben. Zwischen 1939 und 1943 wurde das Gebäude in zwei Bauetappen mit teils massiven baulichen Eingriffen zu einem Lehrlingsheim umgebaut. Es bot auswärtigen Lehrlingen eine günstige Wohngelegenheit und hatte Platz für 26 Personen – was gut der Hälfte der beschäftigten Lehrlinge entsprach. Für die Verpflegung der Mitarbeitenden errichtete die Firma 1951 ein separates Wohlfahrtshaus in der Nähe des Kanals.

Kantonales Durchgangszentrum für Asylbewerbende

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 kam es zu mehreren kriegerischen Auseinandersetzungen in Osteuropa. Nach Ausbruch der Jugoslawienkriege flohen viele Menschen in die Schweiz und beantragten Asyl. Viele der gelfohenen Menschen hatten bereits einen Bezug zur Schweiz, beispielsweise über zuvor ausgewanderte Verwandte, die schon in der hiesigen Industrie- und Baubranche arbeiteten. Die Flüchtlingswelle stellte die Behörden vor logistische Herausforderungen und es mussten dringend Unterkünfte bereitgestellt werden. Die Firma Rieter AG stellte der Stadt Winterthur deshalb 1991 das ehemalige Lehrlingsheim zur Verfügung und liess es zu einem kantonalen Durchgangsheim umbauen. Das Areal wurde umzäunt und das Gebäude so ausgebaut, dass darin 90 Asylsuchende, darunter auch viele Kinder, einen Platz fanden. 2017 kündigte die Rieter AG den Vertrag mit der Stadt, um die Liegenschaft in die geplante Arealentwicklung einbeziehen zu können. Danach stand das Haus einige Jahre leer.

Ausgrabungen und Besetzung

Im Rahmen der Baumassnahmen für den neuen Rieter-Forschungscampus führte die Kantonsarchäologie zwischen 2019 und 2020 umfangreiche Notgrabungen im ehemaligen Ökonomiebereich des Klosters durch. Dabei legen Archäolog:innen nicht nur das ursprüngliche Bodenniveau frei, sondern fanden auch einen Mühlestein aus der Klosterzeit. Kurz vor Beginn der Umbauarbeiten wurde das Haus 2021 kurzzeitig besetzt und es kam zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei, bei der Feuerwerkskörper und Gummischrot eingesetzt wurden.  

Wiedereröffnung als Tagungszentrum

Das Architektenbüro Walser, Wäckerli und Zumbrunn aus Winterthur erhielt von der Johann Jacob Rieter-Stiftung den Auftrag das alte Klostergebäude zu sanieren und in ein Tagungszentrum mit öffentlich zugänglichem Aussenbereich umzugestalten. Die Umsetzung erfolgte in enger Absprache mit der Denkmalpflege. Beim Umbau wurden die Eingriffe aus den 1940er-Jahre weitgehend zurückgebaut und die ursprüngliche offene Struktur wiederhergestellt. Die Klostermühle umfasst neu mehrere Besprechungszimmer, einen grossen Konferenzraum, ein Veranstaltungssaal für bis zu 99 Personen, eine kleine Küche und weitere Räumlichkeiten. Die einzelnen Räume und auch die Gänge dienen zudem als Ausstellungsfläche für die Kunstsammlung der Johann Jacob Rieter-Stiftung.

Die Landschaftsarchitekten Krebs und Herde gestalteten den Aussenbereich komplett neu und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. 


Benutzte und weiterführende Literatur:

Pettannice, Nadia: Töss – von der Winzergemeinde zur «Mini-City»?, in: Geburtsstunde einer Grosstadt. Hundert Jahre Winterthurer Eingemeindung, Zürich 2022, S. 95–108.
Christen, Linda: Das Kloster Töss und sein Nachleben, unpub. Masterarbeit, 2018.
Berger, Anna: Kanton plant keinen Ersatz für Durchgangszentrum in Töss, in: Der Landbote, 20. März 2017
o.A. 270 Neue Plätze für Asylsuchende, in: Berner Tagwacht, 19. Juli 1991.
o.A. Vom Geist und Wirken des sozialen Arbeitgebers, in: Der Schweizer Metallarbeiter, 11. Oktober 1951.
o.A. «Lehrlingsausbildung bei Rieter», in: Der Schweizerische Metallarbeiter, 13. Juli 1944.

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
30.12.2024