Hotels und Gastronomie

Konditorei und Café Lutz

Marktgasse 76 / Stadthausstrasse 117

Über 120 Jahre betrieb die Familie Lutz von 1863 bis 1984 eine Konditorei in der Altstadt von Winterthur. Ab 1926 ergänzte ein Café im Wienerstil die Konditorei. In den 1970er Jahren war das Café ein beliebter Treffpunkt: am Abend war es geöffnet, es gab Wechselausstellungen und Jazzkonzerte. 1984 schloss das Geschäft, da sich innerhalb der Familie keine Nachfolge fand.


Geschäftsaufgabe
1984

Gründungsdatum
1863


Schneeräumung an der Ecke Stadthausstrasse/Merkurstrasse. Im Hintergrund Café Lutz, 1971.
Foto: winbib, Arnold Renold (Signatur FotRenold_2719_0)

Von der Konditorei Hegner zur Konditorei Wurster

Eine der ersten Konditoreien in Winterthur eröffnete Hans Ulrich Hegner 1758 im Haus «Christoffel» an der Ecke Marktgasse/Metzgasse. Später übernahm sein Sohn Hans Kaspar Hegner (1762-1805) das Geschäft. Dieser gab es an seinen Sohn Ulrich Reinhart Hegner (1791*) weiter, der die Konditorei ins Haus «Zum Gemsberg» am Garnmarkt verlegte. Da Ulrich Reinhart Hegner nicht nur Konditor war, sondern auch Buchdrucker, richtete er neben der Konditorei am Garnmark auch noch eine Buchdruckerei ein. In den 1840er Jahren verkaufte er die Konditorei Johann Heinrich Wurster. Dieser führte sie im Haus  «Engel» an der Metzgasse 12 weiter. 

Die Anfänge der Konditorei Lutz

In seiner Konditorei bildete Johann Heinrich Wurster bald schon auch Lehrlinge aus. Einer von ihnen war Johann Christian Lutz, der von 1851 bis 1854 seine Ausbildung bei Wurster absolvierte. Nach seiner Lehre reiste Lutz einige Jahre in die Welt um seine Berufskenntnisse zu erweitern. Nach seiner Rückkehr konnte er 1863  seinem ehemaligen Lehrmeister Johann Heinrich Wurster  das Geschäft an der Metzgasse abkaufen, da Johann Heinrich Wurster plante an der Schaffhauserstrasse eine Bonbonfabrik zu gründen. Einige Zeit nach dem Kauf verlegte Johann Christian Lutz das Geschäft von der Metzgasse 12 an die Marktgasse 78. Dort hatte er von der Casinogesellschaft ein altes Haus auf Abbruch erworben. Nachdem er das alte «Möttelihaus» abgberochen hatte, baute er an dessen Stelle das neue "Möttelihaus". Für kurze Zeit stand die neue Konditorei noch  im Schatten des Unteren Bogens mit Zeitglockenturm bis das mittelalterliche Bauwerk 1871 abgerissen wurde. 

Der Sohn übernimmt das Geschäft und erweitert es 1926 um ein Café

 1897 übernahm der Sohn von Johann Christian Lutz, Christian Lutz-Amman (1868-1939), im Alter von 27 Jahren die Konditorei an der Marktgasse. Zuvor verfeinerte er sein Handwerk in der Romandie, in Paris, in Lüttich und in Palermo. Neben seiner Frau Ida Lutz-Amman unterstützten auch seine Schwestern den Betrieb. 1926 konnte Lutz-Amann das Nachbarhaus «Zur unteren Geduld» an der Marktgasse 76 kaufen, um darin ein Café im Wienerstil zu eröffnen. Das «Café mit Alkoholausschank» stattete er mit zierlichen Marmortischchen, Kristallleuchtern und grünen Plüschbänken aus. Neben der Geschäftsführung engagierte sich Lutz-Amann viele Jahre für die Demokratische Partei und in der Kreisschulpflege Winterthur-Altstadt. Zudem präsidierte er den Männerturnverein. 1929 übergab er das Geschäft seinen Söhnen, Walter Lutz-Degen und Hans Lutz-Bürgi, die es zusammen mit ihren Frauen 21 Jahre lang weiterführten.

Geschäftsteilung - die Brüder trennen sich

1950 stieg Walter Lutz-Degen aus dem Konditoreigeschäft aus und richtete im «Möttelihauses» ein Reisebüro ein. Hans Lutz-Bürgi erwarb daraufhin die Liegenschaft an der Stadthausstrasse 117 und baute dort 1955 ein neues, modernes Café mit rund 90 Plätzen. Im alten Café im Haus "zur unteren Geduld" an der Marktgasse 76 richtete er eine neue Konditorei ein. Zusammen mit seiner Frau Martha Lutz-Bürgi betrieb er das Geschäft, bis es 1964 sein Sohn Hans Lutz Junior, Kaufmann, übernahm.

Imbiss bis 23 Uhr, Wechselausstellungen und Jazzkonzerte

1973 liess Hans Lutz Junior das Café umfassend renovieren. Der neue Raum gestaltete sich hell und freundlich. Am Boden liess er einen orange-, gold- und braunfarbigen Spannteppich verlegen und die Wände schneeweiss streichen. Die Decke schmückten mundgeblasene dänische Beleuchtungskörper aus Glas. Passend zu den orangen Vorhängen stattete er das Café mit Wandbänken aus, die mit braunem Antikleder bezogen waren. In den 1970er Jahren war das Café Lutz ein beliebter Treffpunkt. Neben alkoholfreien Spezialitäten und Süssigkeiten aus der Konditorei gab es auch alkoholische Getränke und abends bis 23 Uhr kleine Imbisse wie Toasts, Spaghetti, Pizzas und frisch zubereitete Salate. An den Wänden brachte Lutz Kunstleisten an, um im Café Wechselausstellungen zu veranstalten. Zirka einmal im Monat organisierte Lutz zudem für seine Gäste ein Jazzkonzert.

Geschäftsaufgabe und Übernahme durch Walter Bosshard

1984 gab Hans Lutz, der die Konditorei und das Café in der vierten Generation führte, das Geschäft auf. Innerhalb der Familie fand sich keine Nachfolge. Im weiteren Berufsumfeld fand sich jedoch eine Lösung: Walter Bosshard, der zuvor in der väterlichen Confiserie Bosshard  an der Stadthausstrasse 145 angestellt war, übernahm den Betrieb. Er räumte die Räumlichkeiten komplett aus und richtete sie neu ein. Das neue Café Bosshard bestand bis 2009. 


Benutzte und weiterführenden Literatur

100 Jahre Winterthurer Zuckerbäckerei. In: Landbote, 12. November 1963.
Alt Konditor Christian Lutz. In: Landbote, 21. März 1939.
Die Stadt ist noch ein bisschen süsser geworden. In: Der Landbote, 17.12.1984.
Ende der Ära Lutz bedeutet Neubeginn. In: Der Landbote, 16.6.1984.
Geschichte der Familie Lutz. In: Der Landbote, 9. August 1937.
Verjüngungskur bei Lutz. In: Der Landbote, 13. Oktober 1973.

Bibliografie


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
30.01.2025