Schulbauten und Kindergärten

Schulhaus Oberseen

Gotzenwilerstrasse 12

Das Schulhaus Oberseen entstand zwischen 1994 und 1997. Der Baukredit betrug 39,5 Millionen Franken. Damit war es das grösste Schulbauvorhaben im Kanton Zürich zu dieser Zeit.


Baujahr
1997


Adresse
Schulhaus Oberseen
Gotzenwilerstrasse 12
8405 Winterthur

Modell des geplanten Schulhauses, 1992.
Foto: winbib, Peter Engler (Signatur 071593)

Drohender Schulraummangel in Seen

Der Stadtteil Seen erlebte zwischen 1980 und 1992 das stärkste Bevölkerungswachstum in Winterthur. Die Einwohnerzahl stieg von 10'500 auf 13'500 Personen. Um einen Mangel an Schulräumen zu verhindern, forderte die Kreisschulpflege Seen bereits ab 1978 den Bau eines neuen Schulhauses an der Gotzenwilerstrasse in Oberseen. Für den Standort sprach, dass die Kinder in Oberseen teilweise gefährliche und lange Schulwege in Kauf nehmen mussten. Gleichzeitig traf die Stadt 1982 im Rahmen der Schulraumplanung Seen weitere Massnahmen: Das Schulhaus Dorf, in dem bis zum Umzug ins Schulhaus Blumental die Berufswahlschule untergebracht war, nahm 1986 neu fünf Realklassen auf. Das Schulhaus Büelwiesen sollte 1987 renoviert und erweitert werden.

Der Zürcher Regierungsrat stellte jedoch 1983 die Genehmigung des Raumprogramms für das neue Schulhaus zurück und begründete seinen Entscheid damit, dass der Bedarf für ein neues Schulhaus nicht ausgewiesen sei. Es kam zu mehreren Anläufen und Anpassungen. In dieser Zeit erhielt auch der geplante Standort in Oberseen vermehrte Kritik, da der Wohnungsausbau vor allem in Seen-West erfolgte. Da die Realisierung von Schulhausbauten immer mehrere Jahre in Anspruch nahm, hinkte die Planung meist der Siedlungsentwicklung hinterher. In Seen verlagerte sich die Bautätigkeit vor allem in den Westen, was immer wieder für Kritik am Standort Oberseen führte. Nach mehreren Anläufen genehmigte der Zürcher Regierungsrat 1988 das Raumprogramm für eine neue Schulanlage. 1989 lancierte die Stadt die Wettbewerbsausschreibung. Das Projekt «bambino» des Winterthurer Architekturbüros Cerfeda Fent Zollinger wurde zur Ausführung empfohlen.

Da mit einer Fertigstellung des neuen Schulhauses erst im Jahr 1995 gerechnet werden konnte, liess die Stadt Winterthur im Jahr 1990 beim Schulhaus Büelwiesen ein zweites Provisorium mit sechs Klassenzimmern auf der Spielwiese errichten.

Das grösste Schulbauvorhaben im Kanton Zürich

Das ursprüngliche Bauprojekt musste 1992 auf Geheiss der Kantonalen Erziehungsdirektion überarbeitet werden, um Kosten von rund 8 Millionen Franken einzusparen. Es wurden Nebenräume gestrichen und Standardverminderungen vorgenommen. Mit einem geplanten Baukredit von 39,8 Millionen Franken handelte es sich beim Neubauprojekt um das grösste Schulbauvorhaben im Kanton Zürich in den frühen 1990er-Jahren. Da die Stadt Winterthur damals auch mit knappen Finanzen kämpfte, war es ein verhältnismässig hohes Investitionsprojekt, das im Grossen Gemeinderat unbestritten war. 1993 nahm die Stimmbevölkerung das Anliegen mit einem Ja-Anteil von 61 Prozent an.

1994 konnte endlich mit den Aushubarbeiten begonnen werden. Weil sich der Baugrund als schlecht erwies, mussten über 500 Rammpfähle in den Boden eingelassen werden, um den Untergrund zu stabilisieren. Gleichzeitig wurden mit dem Bau eines Damms Hochwasserschutzmassnahmen getroffen,  falls der nahegelegene Chräbsbach über die Ufer tritt. Aus Kostengründen verzichtete man auf den Bau eines Rückhaltebeckens. 1995 beschloss der Stadtrat eine Projektänderung und liess einen zusätzlichen Tageshort einbauen. Im selben Jahr erfolgte die Grundsteinlegung und am 18. August 1997 konnte das neue Schulhaus feierlich eingeweiht werden.

Der damalige Bauvorsteher Heiri Vogt (SP) überreichte zu diesem Anlass seiner Stadtratskollegin Aurelia Favre (SP) einen symbolischen Schlüssel.

Ein Schulhaus mit Naturlandschaft

Das für etwa 600 Kinder geplante Schulhaus besteht aus zwei dreigeschossigen Schultrakten, die nach Süden und zum Chräbsbach hin orientiert sind. Jeder Trakt bietet Platz für 12 Primar- und 12 Oberstufenklassen. Die Trakte sind dreigeteilt und verfügen jeweils über einen separaten Eingang. Die beiden Bauelemente verbinden sich über einen zentralen Turn- und Werktrakt. Das Schulhaus Oberseen ist das erste Schulhaus in Winterthur, bei dem ein grosser Teil des Areals als Naturlandschaft angelegt wurde. Die Idee, Schulräume naturnah zu gestalten, stammt vom Winterthurer Gemeinderat und Lehrer Hans Rudolf Lacher (EVP). Das Schulhaus Oberseen eignet sich als Pilotprojekt, da es direkt an ein Naturschutzgebiet grenzt.

Kunst am Bau

Den Auftrag für die künstlerische Gestaltung des neuen Schulhauses erhielt der Winterthurer Künstler Mario Sala. Sein Projekt «Dort» umfasst Malereien, Zeichnungen und Skulpturen. Ausgangspunkt ist die «Station». Es handelt sich um ein Wandobjekt, das sich im stark frequentierten Untergeschoss befindet. Der Bildträger vermittelt den Eindruck eines Elektrokastens. Auf diese Weise verschmilzt der Schaukasten mit der Architektur. Er enthält zehn Zeichnungen, die eine fiktive Geschichte erzählen, die sich auf die Schule bezieht. Das Schulhaus besitzt zudem mehrere «Farborte» im Innen- und Aussenraum.

Der Ortsverein Seen schenkte dem Schulhaus anlässlich seines 25-jährigen Bestehens eine Sandsteinstele des Seemer Bildhauers Gregor Frehner. Die Stele steht beim Kinderspielplatz. Aus ihr ist eine grosse sitzende Katze herausgearbeitet. Der Sandsteinblock wurde vom Bildhauer mit verschiedenen Aussagen von Schüler:innen beschriftet, beginnend mit solchen von Erstklässler:innen und abschliessend mit jenen von Neuntklässler:innen. Damit soll verdeutlicht werden, wie sich das Leben und die Welt der Schüler:innen innerhalb der neunjährigen Schulzeit verändert.

Lärmende Kinder statt Naturidyll

Schon bald nach der Eröffnung des neuen Schulhauses gab es erste Lärmklagen aus der Nachbarschaft. Wo einst nämlich eine Naturlandschaft gestanden hatte, fuhren nun regelmässig Kinder und Jugendliche mit ihren Rollbrettern und Mofas auf und spielten Basketball. Doch auch der Verkehrslärm nahm durch die neue Dreifachturnhalle markant zu, denn diese dienten auch vielen Vereinen als neue Sportstätte. Die Stadt Winterthur reagierte mit dem Einsatz eines Jugendarbeiters, der die Bedürfnisse der Jugendlichen klären sollte. Ebenso liess das Schuldepartement Schilder mit Verhaltensregeln aufstellen. Diese Massnahmen gingen zwei Anwohnenden nicht weit genug und sie schalteten den Ombudsmann ein. Im Anschluss durchgeführte Emmissionsmessungen bestätigten, dass die Lärmgrenzwerte teilweise überschritten wurden. Die Stadt genehmigte darauf den Bau eines Flüsterbelages für 170'000 Franken. 

Geflutete Schulzimmer

Am 9. August 2010 kam es aufgrund von anhaltendem Starkregen an mehreren Orten in der Schweiz zu teilweise verheerenden Überschwemmungen. In Winterthur war vor allem das Schulhaus Oberseen betroffen, weil der Chräbsbach über die Ufer trat und 11 Schulzimmer sowie die Turnhalle flutete. Es enstand ein Sachschaden von rund 750'000 Franken. Um das Schulhaus vor weiteren Überschwemmungen zu schützen, liess die Stadt 2009 den Damm erhöhen und ausbauen. 


Benutzte und weiterführende Literatur

Archivalien
Stadtarchiv Winterthur: Schulhaus Oberseen: Baugeschichte, Spatenstich, Aufrichte, Einweihung, Neubaubroschüre (Signatur A 40/274.43)
Stadtarchiv Winterthur: Schulhaus Oberseen: Zeitungsberichte (Signatur A 40/274.44)

Zeitungsartikel
o.A.: Mit Baumstämmen gegen Schwemmholz, in: Der Landbote, 28.05.2009.
bee.: Hochwasser: Geld für Reparaturen, in: Der Landbote, 06.09.2007.
mgm: Flüsterbelag in Oberseen, in: Tages-Anzeiger, 12.07.2001.
Walter, Niels: Jetzt wird der Lärm politisch, in: Tages-Anzeiger, 28.02.2000.
Mösli, Andreas: Lärm im stillen Oberseen, in: Tages-Anzeiger, 28.05.1998.
Etter, L.: Mario Sala - Die Wirklichkeit wiederherstellen, in: Neue Zürcher Zeitung, 18.12.1997.
Meyer, E.: Neues Primar- und Oberstufenschulhaus für Seen, in: Neue Zürcher Zeitung, 23.08.1997.


Bibliografie

    Schulhaus Oberseen, Gotzenwilerstrasse 12

    • Einträge ab 2011

      Lärmstreit, Zeitungsartikel, handschriftlich festgehaltene Beobachtungen, Korrespondenzen, Protokoll, Medienmitteilung, Stellungnahme, 1998-200, in: Doku Landbote 10/8.-- Kunst am Bau, Zwei Texte von Adrian Mebold über dasKunstwerk, undatiert, in: Doku Landbote 10/9.

      Einträge 1991–2010

      Geplant: Landbote 1992/251 1Abb, 1993/67, 127, 1995/146. - Anträge, Anfragen und Interpellationen des Grossen Gemeinderates Winterthur 1992/122 m.Plänen. - Gemeindeabstimmung 1993/2 m.Abb. - Weinländer Zeitung 1992/133, 1993/63 von Walter Ryser, 1Abb., 1995/72. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1993/67, 127, 1994/6, 65 1Abb. - Tages-Anzeiger 1993/68.
      Kunst am Bau: Landbote 1996/4, 57 1Abb. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/4.
      Seemer Bote 1996/141 m.Abb.
      Skulptur , Geschenk Ortsverein: Landbote 1997/66.
      Bau, Bezug; Einweihung: Landbote 1997/187 1Abb., 193 m.Abb., 1998/129. - NZZ 1997/194 S.57. - Weinländer Zeitung 1997/97 1Abb. - Winterthurer Jahrbuch 1998 S. 190 m.Abb.
      Brunnen: Landbote 1998/225 Bild.
      Lärm: Landbote 1998/286, 2000/47 Schlussbericht, 55, 169. - NZZ 1998/286 S.59 Jugendarbeit. - Tages-Anzeiger 2000/49. - Stadtblatt 2000/35.
      Kehricht: Landbote 1999/199.
      Projekt für Schulabgänger: Landbote 2000/128.
      Empastudie: Landbote 2000/262.
      Schülerrat, Mitspracherecht: Landbote 2000/92.
      Elternrat: Landbote 2001/87, 2002/156.
      Flüsterbelag: Landbote 2001/159 1Abb.
      Schulinternes Berufsinformationszentrum BIZ: Landbote 2004/86 1Abb.
      Hochwasser Krebsbach: Seemer Bote 2008/202 m.Abb., 2009/121 Gegenmassnahmen, 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
30.12.2024