Anlässe, Brauchtum und Feste

Albanifest

Traditionelles Altstadtfest

Seit 1971 findet in Winterthur jedes Jahr am letzten Juni-Wochenende das Albanifest statt. Es erinnert an die Verleihung des Stadtrechts am 22. Juni 1264. Das Fest zieht zehntausende feierfreudige Personen aus nah und fern in die Kyburgstadt.


Gründungsdatum
26.06.1971


Schon 1972 zog das Fest mit attraktiven Fahrgeschäften an. Die «Mirage» war jedoch bereits ein veraltetes Modell.
Foto: winbib, Lajos Kotay (Signatur 150954)

Die politischen Ursprünge des Albanifestes

Das Albanifest erinnert an die Verlesung des Stadtrechtsbriefes vom 22. Juni 1264 durch Graf Rudolf von Habsburg. Es handelt sich um den Namenstag des Heiligen Albanus, der im 15. Jahrhundert neben dem Heiligen Laurentius und dem Heiligen Pankratius zum Schutzpatron von Winterthur ernannt wurde. Obwohl es sich dabei gar nicht um die erste Stadtrechtsurkunde handelte, war sie für Winterthur sehr bedeutend, weil die Stadt damit unter anderem das Marktrecht erhielt und der Rechtsbereich auf die Vorstädte ausgedehnt wurde. Gleichzeitig handelt es sich um die älteste erhaltene Stadtrechtsurkunde.

Seither gilt der 22. Juni als feierlicher Huldigungstag des Stadtrechtsbriefes und gleichzeitig auch als Wahltag für den neuen Schultheissen (Stadtpräsident) sowie als Beschlusstag für wichtige städtische Geschäfte und Gerichtsurteile. Zu diesem Zweck versammelte sich die gesamte Bürgerschaft der Stadt auf dem Marktplatz. Die wehrfähigen Männer mussten an diesem politischen Festtag mit Degen bewaffnet erscheinen. Bis 1437 fand die Versammlung unter freiem Himmel statt, danach wurde sie ins neu gebaute Rathaus verlegt. Schon bald platzte die Ratsstube aber aus allen Nähten und so diente die Stadtkirche als neuer Austragungsort.  Nicht immer wurde die Versammlung an einem 22. Juni ausgetragen, sondern der Rat bestimmte jeweils das Datum.

Die ursprünglichen Festlichkeiten wurden jeweils am Vortag um 15 Uhr durch ein Glockengeläut eingeleitet. Danach zog der festlich gekleidete Grossweibel durch die Gassen der Stadt und rief zur Versammlung am nächsten Tag auf. Begleitet wurde er von der Schuljugend, die das Publikum mit Nüssen und Münzen bewarf. Die Teilnahme war für die Bürger lange Zeit obligatorisch.

Bis 1752 hiess es früh aufstehen, denn die Feierlichkeiten begannen schon um vier Uhr morgens. Danach wurde der Start immer weiter in den Tag hinein verschoben. Die Mitglieder der Bürgergemeinde und der Rat versammelten sich vor der Stadtkirche und zogen dann feierlich ein. Danach wurde die Albaniordnung verlesen, die aus einer Reihe wichtiger Rechtstexte bestand, was mehrere Stunden dauerte. Danach folgte ein kurzes Gebet und man ging zur Wahl und Vereidigung des neuen Schultheissen über. Danach leistete die ganze Bürgergemeinde ihren Eid auf die Stadt und übrige Obrigkeiten wie beispielsweise Zürich oder Österreich.

Der Heilige Albanus wird durch einen Namensvetter ersetzt

Offenbar wurde im Laufe der Zeit der Heilige Alban von Mainz populärer als sein Namensvetter aus England. Auch in Winterthur setzte sich der «neue» Albanus durch. Deshalb verschoben sich die Festlichkeiten vom 22. Juni auf den 21. Juni.

Der beliebtesten «After-Party» Winterthurs wird der Stecker gezogen

Seit dem 17. Jahrhundert folgte auf die politische Versammlung eine musikalisch-religiöse Feier, an der sich auch die Bevölkerung beteiligen konnte. Der Gottesdienst wurde vom Musikkollegium musikalisch begleitet. Danach schenkte man Albaniwein aus und verteilte Mahlzeiten. Diese Feierlichkeiten bezeichnete man auch als «Bürgerschenke» oder «Albanischenke». Dieser Teil des Festes erfreute sich so grosser Beliebtheit, dass die Torwächter alle Hände voll damit zu tun hatten, unberechtigte Personen von der Stadt fernzuhalten. Zeitweise gerieten die Feierlichkeiten ausser Kontrolle und es kam zu Tumulten und Schlägereien. Der Rat führte darauf neue Regeln ein, sodass sich die Feierlichkeiten auf die verschiedenen Nachbarschaften und Gasthäuser verteilten. Bis 1798 wurde die Albanifeier mit einigen Abwandlungen als politischer Festakt auf diese Weise begangen. Während der helvetischen Republik wurden solche Feste jedoch verboten, sodass der Brauch ein jähes Ende fand.

Jubeljahre reaktivieren das alte Stadtfest

Im Jahr 1964 fand anlässlich des Jubiläums für 700 Jahre Stadtrechtsbrief ein grosses Stadtfest statt. Nach den Feierlichkeiten entstand die Idee, die legendäre Albanifeier wiederzubeleben. In den 1960er-Jahren gab es ohnehin genügend Anlässe für Feierlichkeiten: 1967 wurde die 500-jährige Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft gewürdigt und 1969 feierte Winterthur 100 Jahre Staatsverfassung. Nach diesen vielen Feierlichkeiten wuchs der Wunsch, ein wiederkehrendes Stadtfest zu organisieren. Der Stadtrat nahm sich dieser Angelegenheit an und legte fest, dass das zukünftige Stadtfest jeweils am historisch bedeutsamen Albanitag stattfinden soll. Der Stadtrat wollte, dass das Fest die Zusammengehörigkeit aller Winterthurer:innen fördert. Stadtrat Franz Schiegg trat in Kontakt mit verschiedenen Quartiervereinen und Vertreter:innen der Altstadt, und schon bald wurde eine Albanifest-Kommission eingerichtet. Am 15. Dezember 1970 wurde das Albanifest-Komitee als eigenständige Organisation gegründet. Die Vorbereitungen für das Stadtfest benötigten Zeit, und so verstrich das Jahr 1970 ohne Stadtfest.

Das Albanifest kehrt 1971 zurück

1971 war es so weit: Der Name «Albanifest» kehrte nach Winterthur zurück. Um das Fest zu finanzieren, produzierten die Verantwortlichen 15'000 Plaketten und richteten eine Tombola ein. Schon am ersten Fest konnte die Bevölkerung sich nicht nur in den Festhütten kulinarisch und musikalisch verwöhnen lassen, sondern auch an Schiessbuden versuchen und Karussell fahren. Allerdings stand die Wiedereinführung unter keinem guten Stern – Starkregen machte den Veranstaltenden einen Strich durch die Rechnung, und der Besucherandrang blieb aus. Davon liess sich das Albanifest-Komitee jedoch nicht beirren, und 1972 zeigte sich auch Petrus wettertechnisch einigermassen gnädig – das Fest blieb trocken; 1973 schien sogar erstmals durchgehend die Sonne, was zu einem Grossandrang führte. Die Festverantwortlichen versprachen immer wieder, dass sie ihr Fest in den kommenden Jahren noch grösser und vielfältiger gestalten würden. 1974 präsentierten sie sogar ein eigenes «Albanifestlied».

Bewegte 1980er-Jahre

1981 kam es in Winterthur zu einer Vielzahl von Grossveranstaltungen. Neben dem Albanifest, das damals rund 80'000 Besuchende anlockte, fanden am gleichen Wochenende auf der Schützenwiese ein Rockkonzert für 30'000 Gäste und die umstrittene Waffenschau «W81» statt, die von mehreren Protestaktionen begleitet wurde. Viele befürchteten, dass Winterthur zu einem Hexenkessel werden könnte – doch die Demonstrationen verliefen mehrheitlich friedlich.

Das Albanifest-Komitee konnte zufrieden resümieren: «Zum Glück hatten die Schwarzmaler einmal mehr nicht recht.» 1984 verzichtete das Organisationskomitee – trotz Widerstand aus den eigenen Reihen – auf die Durchführung des Festes, da gleichzeitig das Eidgenössische Turnfest in Winterthur stattfand. 1988 überreichte Stadtpräsident Urs Widmer dem Organisationskomitee die Anerkennungsgabe der Stadt Winterthur und würdigte damit das Engagement. Das Fest wuchs und gedieh. Jedes Jahr machten besonders die Schausteller:innen mit neuen Attraktionen auf sich aufmerksam. Für viele Vereine war das Fest einer der wichtigsten Anlässe, um die eigenen Kassen zu füllen.

Immaterielles Kulturgut als gelebte Tradition

Über die Jahre entwickelte sich das Albanifest zum grössten Altstadtfest in Europa. Der Bund nahm es 2011 als wichtige lebendige Tradition in die Schweizer UNESCO-Liste der immateriellen Kulturgüter auf. Der kommerzielle Erfolg des Volksfestes führte jedoch auch zu kritischen Stimmen. Einige Vereine zogen sich zurück, da sie keine Helferinnen und Helfer mehr für das Fest mobilisieren konnten. Andere bemängelten, dass es zu einem überregionalen Event geworden sei. Diese Diskussionen sind innerhalb des Komitees und im Austausch mit den Beteiligten bis heute aktuell. Die Grösse des Festes überforderte in den 2000er-Jahren regelmässig auch Eltern. Immer wieder gingen Kinder im Getümmel verloren und mussten von Helfenden wieder mit den Eltern zusammengeführt werden. So entstand ab 2011 die Idee, im Stadtpark ein «Chinder-Albani» zu starten. Aufgrund der Corona-Pandemie fand das Albanifest 2020 und 2021 nicht statt, wodurch auch das 50-Jahre-Jubiläum ins Wasser fiel. 2022 meldete sich das Fest mit der 49. Ausgabe zurück. Über 150'000 Personen besuchten die Altstadt. Die Zusammensetzung der Festwirtschaften wandelte sich allmählich. Die Zahl der mitmachenden Vereine nimmt ab, dafür gibt es vermehrt Foodtrucks, die ihre Speisen anbieten.


Benutzte und weiterführende Literatur

Niederhäuser, Peter: Albanifest: Tradition mit Startproblemen, in: Landbote, 22.06.2011.
Hoster, Alexandre-Michel: Wie das Albanifest wiederbelebt wurde, in Winterthurer Jahrbuch 2004, Winterthur 2004, S. 60–62.
Albanifest-Komitee: 20 Jahre ALbanifest in Winterthur 1971–1991. Eine kleine Geschichte, Winterthur 1991.
Ziegler, Alfred: Albanitag und Albanifeier in Winterthur 1264-1874 : ein Beitrag zu Winterthurs Verfassungs- und Sittengeschichte. (Winterthurer Neujahrsblatt 253), Winterthur 1919. 

Bibliografie

    Albanifest

    • Einträge ab 2011

      Der Sujet-Chef des Albanifest. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 14 (2016). S. 7. m. Abb.
      Albanifest. Unfälle, Zeitungsartikel, Korrespondenzen, Sicherheitsrichtlinien, 2009, in: Doku Landbote 1/3.
      Auf eine vituelle Chlibifahrt mit Daniel Frei, Präsident Albanifest-Komitee. In: Coucou, Nr. 94 (2021). S. 17. m.Abb.
      Felix, Christian: Diese Woche: Flug mit der Mirage. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 39 (2021). S. 21. m.Abb.
      Speiser, Regina: 50 Jahre Albanifest. In: Winterthurer Jahrbuch, 2023. S. 182. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Zwanzigstes, 1991: Landbote 1991/132 Neuerungen. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1991/132. - Tages-Anzeiger 1991/141. - NZZ 1991/149 S.25 1Abb.
      1992: Programm: Winterthurer Dok. 1992/20.
      1996. Biermonopol: Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/75. - 25 Jahre: Landbote 1996/125 m.Abb., 147. - Winterthurer Arbeiterzeitung 1996/129. - Kulturspiegel 1996/21 Geschichte.
      Neuerungen: Landbote 1997/18.
      Volksmusik mit Radio DRS: Stadtblatt 1997/100. - Landbote 1997/147.
      1998: Landbote 1998/131.
      Geschichte: Landbote 1999/129.
      Programm 1999: Winterthurer Dok 1999/23.
      Neuerungen: Landbote 2000/31.
      30.: Landbote 2001/128.
      Programm 2002: Winterthurer Dok.2002/31.
      Logistiker Chrigel Hirt: Landbote 2003/143 1Abb.
      Kommerzialisierung: Tages-Anzeiger 2003/146 [Winterthurer Dok. 2003/70]. - Winterthurer Dok.2003/70 a Programm. - WinterthurerZeitung 2003/30.
      Interpellation: Stadtanzeiger 2004/6.
      Wie das Albanifest wiederbelebt wurde: Winterthurer Jahrbuch 2004 vonAlexandre-Michel Hoster, 1Abb.
      Vorwürfe: Landbote 2004/202, 209, 2005/113 Auftragsvergabe.
      Programm 2005: Winterthurer Dok.2005/20.
      Schaustellerplätze. Neuorganisation: Landbote 2005/225.
      Jugendschutz, Stempel gegen Rauschtrinken: Landbote 2007/150. - NZZ 2007/150 S. 27.
      Programm 2007: Winterthurer Dok. 2007/23.
      Neue Winterthurer Zunft. Festbeiz. Ende nach20 Jahren: Landbote 2008/136 1Abb.
      Programm 2008: Winterthurer Dok. 2008/43.
      2009. St. Albanus: Landbote 2009/132, 133.
      2010_ Stadtanzeiger 2010/25 INterview Beat Blaser, m.Abb.

    Albanitag

    • Einträge 1991–2010

      Albanispende: I. H. Hotz Historisch iuristische Beiträge zur Geschichte der Stadt Winterthur des Gemeindegutes und der Nutzungen. Winterthur, 1868


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
18.09.2024