Anlässe, Brauchtum und Feste

Eidgenössisches Sängerfest 1854

Der Stadtsängerverein Winterthur hatte 1854 die grosse Ehre das sechste eidgenössische Sängerfest zu organisieren. Die ganze Stadt bereitete sich auf den Grossanlass vor und am Bahnhofplatz wurde eigens für die Feierlichkeiten eine temporäre Holzhalle errichtet, die Platz für 7000 Personen bot. Trotz schlechtem Wetter stiess das Fest auf grossen Anklang.


Datum
16.07.1854


In der zweigeschossigen Festbasilika hatte es Platz für über 7000 Personen. Das Bild zeigt zudem die festlich verzierten Stadtbrunnen in der Altstadt. 
Foto: winbib, Emanuel Labhart (Signatur 151182a_O)

Ein Fest der Superlative

Das sechste eidgenössische Sängerfest fand am 16. und 17. Juli 1854 in Winterthur statt. Nicht weniger als 50 Vereine hatten sich für den Anlass angemeldet. 18 Vereine beteiligten sich am Wettkampf um einen silbernen Pokal im Wert von 500 Franken, der vom Stadtsängerverein Winterthur als Gastgebergeschenk zur Verfügung gestellt wurde. Die über 2500 erwarteten Sänger stellten die kleine Stadt vor eine logistische Herausforderung. Deshalb bat Winterthur die eidgenössische Militärdirektion und die umliegenden Kantone ihre Zeughäuser und zusätzliche Lagerstätten zur Verfügung stellen. Mit gemeinsamer Kraft konnte so verhindert werden, dass einige Sänger sich mit behelfsmässigen Strohlagern begnügen mussten. Die Stadt Winterthur putzte sich für den Anlass heraus. So wurde ein Triumphbogen errichtet, die gesamte Altstadt war beflaggt und die Stadtbrunnen reich geschmückt.

Festprogramm

Bereits am Freitag, dem 15. Juli traf die eidgenössische Sängerfahne von Baden herkommend in Begleitung einer Reitertruppe via Töss in Winterthur ein und als das Geleit das Untertor passierte, begrüsste die Gastgeberstadt sie mit 22 Kanonenschüssen und spalierstehenden Kadetten. Auch die teilnehmenden Vereine reisten mit ihren Fahnen an und brachten sie ins Rathaus, wo sie feierlich in Empfang genommen wurden. Es folgten verschiedene Konzerte, ein gemeinsames Mittagessen und weitere Darbietungen, darunter auch ein Orgelkonzert in der Stadtkirche von Theodor Kirchner. Als Ehrengäste waren der Schwäbische Sängerbund und der Grütliverein Manchester zugegen. Für das Fest gingen rund 25 Ehrengaben ein – das waren gespendete Geschenke von wohlhabenden Bürgern oder Firmen. Darunter befanden sich verschiedene kunstvoll gefertigte Trinkbecher und Medaillen, sowie  ein «Leuchter feiner Damen» und mehrere Uhren.  

Als Rahmenprogramm standen den Sängern die Sammlungen der Stadt Winterthur, die Stadtkirche und auch das Naturalienkabinett von Jakob Ziegler-Pellis zur Besichtigung offen.

Misstöne am Fest

Das Publikum war in Feierlaune und beklatschte während des Wettkampfes jene Chöre, die ihnen besonders gefielen und straften die anderen mit Schweigen. Das war ein Verhalten, das eigentlich per Reglement verboten war um die Preisrichter nicht zu beeinflussen, aber viele hielten sich nicht daran. Einige Chöre waren mit ihrer Bewertung danach auch prompt nicht zufrieden, so sollen die Urner, Schaffhauser und Aarauer Sänger gekränkt von dannen gezogen sein, ohne ihr geschenktes Weinfässchen angerührt zu haben. Ebenfalls waren offenbar am ersten Festtag viele Taschendiebe unterwegs, die aber von der Polizei geschnappt wurden. Für einen Schreckmoment sorgte ein Arbeiter, der vor aller Augen vom Hallendach stürzte, sich aber keine ernsthaften Verletzungen zuzog, sondern nur seinen verlorenen Hut suchen musste.   

Die Festbasilika

Das Organisationskomitee zog für den Grossanlass alle Register und errichtete auf dem Bahnhofplatz eine gigantische zweischiffige Halle, die stark an ein Kirchenschiff erinnerte. Es war ein Gemeinschaftswerk der Familien Rieter und Kronauer. Die Akustik war entsprechend ausgezeichnet und übertraf alle Erwartungen. Die Halle bot Platz für rund 7000 Personen, die auf einer grossen Bühne auftraten. Die Halle war zweigeschossig und besass eine grosse Galerie die mit Bildnissen von berühmten Persönlichkeiten aus der Schweiz verziert waren. Für eine perfekte Ausleuchtung sorgten prunkvolle Kronleuchter. Das sogenannte «Hüttenleben» war zeitweise sogar derart heiter, dass die vielen verschiedenen Redner gar nicht mehr gehört wurden, ebenso wenig drang das Urteil der Preisrichter bis an die oberen Ränge der Galerie. Dennoch blickten alle auf ein gelungenes Fest zurück.


o.A. Eidgenössisches Sängerfest in WInterthur, in: Der Landbote, 22.07.1854.
o.A. Das eidgenössische Sängerfest in Winterthur, in: Eidgenössische Zeitung, 17.07.1854

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
13.07.2024