Wohnhäuser

Obere Badstube zum Lörlibad

Badgasse 8

Von 1349 bis 1424 betrieb die Familie Schultheiss an der Badgasse 8 die städtische Badstube. Im 18. Jahrhundert wurde die obere Badstube zum Lörlibad und 1766 durch einen Neubau ersetzt. Mit dem Bau der Bad- und Waschanstalt ein Haus weiter. 1864 wurde das Lörlibad geschlossen und die jahrhundertelange Badtradition an der Badgasse 6 weitergeführt.


Baujahr
1676


Adresse
Badgasse 8
8400 Winterthur

Ehemaliges Lörlibad Badgasse 8, 1976.
Foto: winbib, Arnold Renold (Signatur 023371)

Die obere Badstube

Im Mittelalter waren Badstuben und Badehäuser Eigentum des Grundherrn. In Winterthur waren das bis 1467 die Grafen von Kyburg bzw. die Herzöge von Österreich. Gegen einen Zins vergaben sie einem Bürger die Badstube als Hand- oder Erblehen. 1349 erhielt Rudolf Schultheiss unterm Schopf vom österreichischen Herzog Albrecht das Alleinrecht am Rettenbach (heute: Badgasse 8) eine Badstube zu errichten. Um einen Konkurrenzkampf zu vermeiden war es allen anderen Personen derweil unter Androhung einer Strafe verboten in der Stadt und ihrem Friedkreis eine weitere Badstube zu eröffnen.

Dass das Privileg eine Badestube zu eröffnen im 14. Jahrhundert der Familie Schultheiss unterm Schopf zukam, hatte seine Gründe. Die Familie war seit über 100 Jahren in Winterthur ansässig und gehörte zum Stadtadel. Rudolf Schultheiss hatte, wie der der Name bereits verrät, zudem das Amt des Schultheiss inne. Er sass von 1343 bis 1368 im kleinen Rat und war Mitglied der Herrenstube.

Der Grundherr sicherte der Familie Schultheiss die Badstube als freies Eigentum zu, und dass die Rechte an der Badstube nach seinem Tod an ihre Erben übergehen. Bis 1425 war die Badstube im Besitz der Familie Schultheiss. Nachdem die Familie bei der Stadt in Ungnade gefallen war, verkaufte sie die Badstube samt Umschwung an die Stadt Winterthur und zog nach Zürich. Die Stadt Winterthur verpachtete das Haus mit Schopf und Garten fortan an verschiedene Bader.

Kurz nachdem die Stadt Winterthur 1467 an die Stadt Zürich verpfändet worden war, beschloss die Stadt Winterthur aufgrund der Bevölkerungszunahme, eine zweite Badstube zu errichten. 1470 gab die Stadt an der Steinberggasse / Ecke Metzgasse den Bau einer zweiten Badstube in Auftrag, die sogenannte untere Badstube. Die bis dahin einzige Badstube an der Badgasse 8 wurde nun in Abgrenzung zur unteren Badstube obere Badstube genannt.

1514 pachtete Michael Bader die obere Badstube. 1517 konnte er sie von der Stadt für 400 Pfund als Erblehen zu einem Zins von 20 Pfund im Jahr abkaufen.  

Badebetrieb im Mittelalter

Da die Badstube eine wichtige öffentliche Funktion hatte, stellte die Stadt Winterthur gewisse Erwartungen an die Bader. Sie mussten in ihrer Badstube unter anderem Schwitzkästen und Zuber zur Verfügung stellen. Die Stadt verpflichtete sich im Gegenzug dazu, Wasser zur Badstube zu leiten. Dieses stammte von zwei Quellen aus dem Mockentobel und wurde in Teuchel in die Stadt geleitet. Zudem war die Stadt für die Instandhaltung des Hauses und der Scheune besorgt und lieferte dem Bader kostenlos Holz.

Wie aus der oberen Badstube das Lörlibad wurde

 Nach der Aufhebung des Wildbads Lörlibad – offenbar war es abgebrannt – ging der Name Lörlibad spätestens 1740 an die obere Badstube über. Die Namensübertragung kam daher, dass das Wasser der Quelle, die zuvor das alte Lörlibad im Wald beliefert hatte, nun mit den beiden Quellen aus dem Mockentobel vereinigt wurde. Diese speisten bis dahin die obere Badstube alleine. Nun versorgten mit der «Lörlibadquelle» drei Quellen die obere Badstube, die nun Lörlibad hiess.

Neben der alten, aus Holz gebauten Badstube an der Badgasse 8 wurde 1766 das dreigeschossige Badgasthaus Lörlibad errichtet. Im Erdgeschoss befanden sich links und rechts des Mittelgangs aneinandergereihte gewölbte Badezellen. Im ersten Stock befanden sich Gasträume und Fremdenzimmer. 1862 kaufte die Aktiengesellschaft der Bad- und Waschanstalt das Lörlibad und baute es um. 1864 baute sie gleich nebenan an der Badgasse 6 ein neues Hallenbad mit Marmorwannenbädern und Duschzellen. Mit dem 1864 fertiggestellten Neubau an der Badgasse 6 wurde der Badebetrieb an der Badgasse 8 im Lörlibad aufgegeben und die Badtradition an der Badgasse 6 im neuen Hallenbad mit Badewannen weitergeführt. 1922 verkaufte die Aktiengesellschaft der Bad- und Waschanstalt das Lörlibad an eine Privatperson, die es wiederum weiterverkaufte, bis es 1967 wieder an die Stadt Winterthur zurückging.

Von 1878 bis 1979 wurde das Lörlibad zu Wohnzwecken umgebaut. In den Obergeschossen entstanden Wohnungen. Durch den Einbau eines zentralen Treppenhauses wurden die Grundrisse verändert. 2005 wurde das Gebäude erneut renoviert. 2007 sanierte die Stadt Winterthur die Fassade und 2014 die im Haus vorhandenen acht Wohnungen. Im Untergeschoss befindet sich seit April 1998 das Clublokal des WILSCH (schwullesbischer Verein in Winterthur), der dort eine Bar betreibt.


Benutzte und weiterführende Literatur

Brandassekuranzbüchern Stadtarchiv Winterthur
Gantenbein, Leo: Schwitzkur und Angstschweiss. Praktische Medizin in Winterthur seit 1300. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Band 327 (1997). Zürich, 1996.
Inventar der Denmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung, Stadt Wintertthur, Stadt III. AREV Nr. 0929/2018. Revision und Ergänzung. Kanton Zürich, 2018. 
Von Moos, Paul: Winterthurer Stadtbilder. Mit 95 Federzeichnungen des Verfassers. W. Vogel, Winterthur, 1953. 

Bibliografie

    Badgasse 8, Lörlibad

    • Einträge ab 2011

      Das Lörlibad. In: Dokumentation Urs Widmer, Bauwerke und Häuser A-Sch. 3 S.

      Einträge 1991–2010

      Neuzeitliche Badstube, Baudokumentation: Archäologie im Kanton Zürich : 1997-1998 Zürich ; Egg , 2000. (Berichte der Kantonsarchäologie Zürich ; 15), S. 39 1Abb..


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
15.07.2024