Schulbauten und Kindergärten

Schulhaus Neuwiesen

Wartstrasse 46

Das Schulhaus Neuwiesen wurde zwischen 1875 und 1876 vom Architekten Joseph Bösch errichtet und sollte mit den damals etablierten Traditionen der Schulhausarchitektur brechen. Dabei war er stark von den Prinzipien der damals aufstrebenden Schulhygiene beeinflusst. Es war das erste Schulhaus in Winterthur, mit eigener Dusch- und Badeanlage.


Baujahr
1876


Adresse
Schulhaus Neuwiesen
Wartstrasse 46
8400 Winterthur

Der Winterthurer Architekt Joseph Blösch brach mit damals verbreiteten architektonischen Konventionen und berücksichtigte für seinen Bau die neusten Erkenntnisse der Schulhygiene. So richtete er alle Schulzimmer nach Norden aus, um die Kinderaugen vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Aufnahme um 1902. 
Foto: winbib (Signatur Schulhaus Neuwiesen 1)

Architektur und Besonderheiten

Das Schulhaus Neuwiesen wurde von 1875 bis 1876 durch den damaligen Stadtbaumeister Joseph Bösch errichtet. Es bildete einen Kernpunkt der auf dem Reissbrett geplanten westlichen Stadterweiterung, aus der das Neuwiesenquartier hervorgegangen ist.

Das Schulhaus stellt architekturgeschichtlich eine Besonderheit dar, da Joseph Bösch sich von den damals üblichen Architekturplänen befreite. So orientierte Bösch alle sechs Schulzimmer konsequent nach Norden. Damit folgte er einer im 19. Jahrhundert verbreiteten schulhygienischen Empfehlung, denn Ärztinnen und Ärzte waren damals der Meinung, dass direkte Sonneneinstrahlung während dem Unterricht den Augen der Kinder schaden würde. Neben dem Schulhaus entstand auch eine Turnhalle.

Das Schulhaus Neuwiesen besteht aus einem zweiflügligen Baukörper der durch einen hervorragenden Mittelrisalit dominiert wird. Die Ausstattung war für damalige Verhältnisse schon sehr gut. So war das Schulhaus Neuwiesen das erste in der Stadt Winterthur, das bereits bei der Inbetriebnahme über Warmwasserduschen verfügte. Ebenfalls gab es bereits ein modernes Heizsystem. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein wurden Schulhäuser über Kachel- oder Eisenöfen beheizt. Für deren Betrieb mussten Schülerinnen und Schüler lange Zeit ein paar Holzscheite mitbringen. Im Schulhaus Neuwiesen sorgte das von den Gebrüdern Sulzer hergestellte Heizsystem nicht nur für Wärme, sondern mittels einer mechanischen Ventilationsvorrichtung für eine Durchlüftung der Schulzimmer. Bei über 50 Schülerinnen und Schüler in einem Klassenzimmer, konnte die Luft schon sehr schnell ziemlich dick werden und da bei den Klassenzimmern alle Fenster nur nach Norden ausgerichtet waren, war es schwierig Durchzug zu machen in den Pausen.

Schulbad und Schulhygiene

Das Schulhaus Neuwiesen erhielt 1891 als erstes Schulhaus in Winterthur ein eigenes Schulbad konzipiert. Es war mit mehreren Badewannen ausgestattet, die allen Schülerinnen und Schülern in Winterthur zur Verfügung standen. Der Besuch des Schulbads war freiwillig. Bei der Eröffnung 1891 konnten die Kinder im Sommer jeweils einmal die Woche und im Winter alle 14-Tage im Schulhaus baden. Diese Massnahme muss vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die meisten Wohnhäuser, die in Winterthur vor den 1950er-Jahren errichtet wurden, in der Regel noch über keine eigenen Badezimmer verfügten. Weitere Schulhygienische Massnahmen war eine regelmässige Milch- und Kleiderabgabe an unterernährte und arme Schülerinnen und Schüler.

Erste Totalsanierung

1936 wurde das inzwischen bereits 60-jährige Schulhaus einer ersten Gesamtsanierung unterzogen. Im Innern wurde die ursprüngliche Täferverkleidung entfernt, die Zimmertüren verkleinert und ein neues Heizsystem eingebaut. Zudem wurde die Aussenfasssade komplett entfernt und neu verputzt.

Die Winterthurer Schulhäuser im Dienst der Grenzsanität

Die meisten zentral gelegenen Schulhäuser dienten während dem Zweiten Weltkrieg zeitweise als Flüchtlingslager. Um 1945 gelangten immer mehr Flüchtlinge über die Nordgrenze in die Schweiz. Die Stadt Winterthur übernahm dabei eine wichtige Rolle bei den grenzsanitarischen Massnahmen zur Verhütung von Infektionskrankheiten. Mittels Zügen kamen die Flüchtlinge am Bahnhof Winterthur an und wurden dann in einem Ersten Schritt an einer Sanitätsstelle auf Krätze und andere Infektionskrankheiten untersucht. Danach wurden sie in den Schulhäuser Neuwiesen, Löwenstrass oder der Kaserne 2 auf dem Zughausareal untergebracht. Sie dienten als sogenannte «unreine Lager». Über 400 Personen pro Tag wurden dann jeweils zum Schulhaus Heiligberg weitertransportiert, das als «Desinfektionslager» diente. Dort mussten sich alle Flüchtlinge einer desinfizierenden Dusche unterziehen. Alle ihre Kleider wurden eingezogen und in den umliegenden Anstalten gewaschen oder mittels einem mobilen Heissluftofen abgedampft. Nach der Desinfektion wurden die Flüchtlinge dann in den Schulhäusern Lindberg und Wülflingerstrasse untergebracht.

Gesamtrennovation und Erweiterung

Nach dem Krieg nahm das Schulhaus Neuwiesen seine ursprüngliche Funktion wieder auf. Im Verlauf der Jahrzehnte veränderten sich die Raumbedürfnisse. Ebenfalls waren das Gebäude und insbesondere auch die Turnhalle deutlich in die Jahre gekommen. 1990 erteilte die Stadt den Auftrag zur Gesamtrenovation des bestehenden Schulhauses und eine Erweiterung der Anlage. Für die Schulhauserweiterung stand nur eine verhältnismässig kleine Parzelle zur Verfügung weshalb stark verdichtet gebaut werden musste. Die Lösung des Winterthurer Architekten Werner Rebsamen besteht aus einem Annexbau mit unterirdischer Turnhalle. Das Winterthurer Stimmvolk genehmigte 1997 den dafür nötigen Kredit von 8.5. Millionen Franken. Im Februar 1998 erfolgte der Abbruch der alten Turnhalle. Im April begannen die Arbeiten am Neubau. Im Oktober 1999 konnte der Neubau bezogen werden. Nur wenige Monate später begannen die Renovationsarbeiten im Altbau unter der Leitung der Architektin Marlise Bächinger Risch von Arba-Bioplan, Winterthur. Am 15. Juni 2001 erfolgte die feierliche Einweihung der renovierten und erweiterten Gesamtanlage.

Der Neubau beherbergt neben der Turnhalle auch eine Bibliothek, einen Mehrzweckraum, einen Kinderhort sowie zwei Schulzimmer, zwei Handarbeitszimmer und eine Abwartwohnung. Der Winterthurer Künstler Werner Hurter versah das Treppenhaus des Neubaus mit verschiedenen Acrylfarbflächen.

Fusion und Kindergartenbrand

Nachdem die Stadtverwaltung schon die fünf Alterszentren fusioniert hatte, wurde die gleiche Massnahme im Jahr 2013 auch für die städtischen Schulen beschlossen. Das Schulhaus Neuwiesen fusionierte mit dem deutlich kleineren Schulhaus Brühlberg und später dem Kindergarten Schützenwiesen. Die Fusion war von einigen Misstönen begleitet und es kam zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Lehrerschaft, der Schulpflege und der Schulleitung, die sich vor allem im Standort Brühlberg bis ins Jahr 2017 zuspitzten.

2022 brannte der Kindergarten Schützenwiese komplett ab. Bis zum Bau eines Kindergartenprovisoriums mussten die Kinder als Überbrückung in den Schulhäusern Brühlberg und Neuwiesen untergebracht werden.


Winkler, Hermann: Schulgeschichte der Stadt Winterthur bis zum Jahre 1922, Winterthur 1947.

Bibliografie

    Schulhaus Neuwiesen

    • Einträge 1991–2010

      Sanierung: Winterthurer Arbeiterzeitung 1992/31 - Anträge, Anfragen und Interpellationen des Grossen Gemeinderates Winterthur 1996/111 m.Plänen. - Landbote 1996/271 1Abb., 1997/63, 102, 129, 1999/98, 257 1Abb. - Transparent 1997/1 m.Abb. Kunst am Bau: Landbote 1998/155 1Abb., 2000/36 Werner Hurter, 1Abb. - Neuwiesen Zeitung 2000/20.
      Brunnen, von Fredi Schelb: Landbote 1999/264 1Abb.
      Einweihung: Landbote 2001/137 von Peter Fritsche, 1Abb.
      Schüler-Petition: Landbote 2008/27


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
27.04.2024