Die älteste urkundliche Erwähnung der Versorgung von Waisen in der städtischen Waisenstube im «Unteren Spital» am Neumarkt 8 (heutiges Alterszentrum am Neumarkt) stammt aus dem Jahr 1676. Im 17. Jahrhundert bezeichnete man alle Kinder als Waisen, die elternlos, arm oder unehelich waren und nicht von Verwandten versorgt werden konnten. Im «Unteren Spital», der einzigen sozialen Einrichtung der Stadt zu dieser Zeit, lebten die Kinder bis Anfang des 19. Jahrhunderts mit alten, kranken, geistig beeinträchtigten, verbrecherischen und durchreisenden Erwachsenen zusammen.
Genau wie alle «Muspfründer» im «Unteren Spital» mussten auch die Kinder für ihr tägliches Brot und Mus arbeiten. Eine Zuchtmutter, später ein Zuchtvater, beaufsichtigte alle Insassen des «Unteren Spitals». Die erste protokollarisch erwähnte Zuchtmutter von 1668 bis 1676 war Elisabetha Schrämlin. Ihre Führung gab immer wieder Anlass zu Klagen, worauf der Rat von Winterthur 1676 eine erste Waisenhausordnung erliess. Diese liest sich in erster Linie als Ermahnung der Zuchtmutter, sich nicht am Essen der Kinder zu bereichern und den Kindern fleissiges Beten beizubringen. Auch unter den nächsten beiden Zuchtmüttern, den Witwen Elisabeth Ernstin und Magdalena Hagenbuch, scheint sich wenig verändert zu haben. Ab 1690 wurden ausschliesslich Zuchtväter angestellt, deren Ehefrauen gleichsam zur Mitarbeit verpflichtet wurden. Bis 1861 waren alle Zuchtväter ehemalige Handwerker im fortgeschrittenen Alter, die diese Anstellung wohl vor allem darum suchten, da sie mit Kost und Logis entschädigt wurden.