Verkehr und Infrastruktur

Wilder Mann-Brunnen

Langgasse

1590 ersetzte die Stadt Winterthur am Untertor einen alten Brunnen. 1654 schuf der Bildhauer Conrad Frey von Buch eine Brunnenfigur, den «Wilden Mann». Die Figur und der Brunnenstock wurden im 19. Jahrhundert ersetzt. 1872 liess der Rat alle grossen Brunnen aus der Altstadt entfernen. Seither steht der Brunnen an der Langgasse.


Baujahr
1590

Neuschöpfung
19. Jahrhundert


Adresse
Langgasse
8400 Winterthur

Ursprünglich stand der Wilde Mann-Brunnen beim Untertor. Er gehörte zu den grossen und repräsentativen Laufbrunnen der Altstadt. Die Ansicht stammt aus dem Jahr 1648 – hier ist er noch ohne Figurenschmuck. Wahrscheinlich handelte es sich um einen gotischen Brunnenstock.
Foto: winbib (Signatur 010021_O)

Ein repräsentativer Laufbrunnen

Im Jahr 1590 musste die Stadt Winterthur den alten Brunnen beim Untertor ersetzen. Dafür engagierte sie Melchior Bartmann, einen erfahrenen Brunnenmeister aus Bremgarten. Er war in der Stadt bekannt, da er 1580 bereits den Gold- und Florabrunnen errichtet hatte. Bei seiner neuen Arbeit konzentrierte er sich auf die Schaffung eines neuen Beckens und behielt den ursprünglichen gotischen Brunnenstock bei. Das Becken hatte eine achteckige Form, ein typisches Merkmal der repräsentativen Altstadtbrunnen aus dem 16. Jahrhundert. 

Im Jahr 1654 erfuhr der Brunnen eine bedeutende Veränderung. Um ihn zu restaurieren und aufzuwerten, beauftragte die Stadt den lokalen Bildhauer Conrad Frey von Buch. Er schuf mit dem «Wilden Mann» eine markante Brunnenfigur. Es handelte sich dabei um ein damals im deutschsprachigen Raum populäres Motiv.

«Wilder Mann» in Winterthur!

Die Figur des «Wilden Mannes» ist tief in der germanischen und slawischen Mythologie verwurzelt und erscheint immer wieder in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Literatur. Bei den Gebrüdern Grimm erzählt das Märchen vom «Eisenhans» die Geschichte eines «Wilden Mannes». Er verkörpert die ungebändigte Natur. Häufig wird er stark behaart und mit Moos und Laub bedeckt, mit einem halbnackten Leib und übermenschlicher Stärke dargestellt. Oft trägt er eine mächtige und unförmige Holzkeule mit sich. Er symbolisiert einen kraftvollen Einzelgänger, der in den Wäldern oder Bergen lebt – also in der noch unbezwungenen Natur. Es existieren auch Beschreibungen von «Wilden Frauen» und «Wilden Kindern», wenn auch seltener.

Neben Brunnen wird der «Wilde Mann» auch gerne als Bezeichnung für Gaststätten verwendet – so auch in Winterthur.

Erst entmannt und dann verbannt

Das 19. Jahrhundert brachte weitere Veränderungen für den Brunnen. Der inzwischen in die Jahre gekommene barocke Figur und auch der Brunnenstock wurden durch eine biedermeierliche Neuschöpfung ersetzt. Auf dem schlichten, eckigen Brunnenstock ruht seither eine ovale Urne. Eine bedeutende Wende für den Brunnen und viele seiner grossen Artgenossen in der Altstadt kam 1872, als der Stadtrat entschied, fast alle öffentlichen Brunnen zu entfernen. Die grossen Brunnen hatten nämlich aufgrund der Einführung des modernen Wassersystems ihre Funktion weitgehend verloren und sie standen den Fuhrwerken im Weg. So liess die Stadt den Brunnen vom Untertor an seinen heutigen Standort an der Langgasse versetzen. 

Benutzte und weiterführende Quellen und Literatur

Archivalien
Stadtarchiv Winterthur, Karl Keller: Winterthurer Brunnen (Signatur  A 23/40)

Literatur:
Rorbert H. Ott: Wildleute. In: Lexikon des Mittelalters. Band 9: Werla bis Zypresse. Anhang. Lexma, München 1998, Sp. 120–121.
Wilder Mann. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 16, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 63

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024