Verkehr und Infrastruktur

Öffentliche Brunnen

städtische Brunnen, Brunnenanlagen

In der Stadt Winterthur gibt es rund 300 öffentliche Brunnen. Früher waren sie wichtige Wasserversorgungsquellen. Heute bieten sie Erfrischung und verschönern das Stadtbild.


Auf der Stadtansicht von Winterthur aus dem Jahr 1648 sind die städtischen Lauf- und Sodbrunnen sowie der Stadtbach sichtbar. Die beiden Sodbrunnen sind durch ihre kleinen Turmhäuschen gut erkennbar. Die grossen Brunnen standen an wichtigen Verkehrsknotenpunkten und hatten meist in unmittelbarer Nähe einen kleinen Brunnen, der vermutlich zum Wäschewaschen diente.
Foto: winbib (Signatur 010021_O)

Die Altstadtbrunnen

Die Wasserversorgung der Bevölkerung ist ein grundlegendes Bedürfnis jeder Siedlung. Ein wichtiger Teil des Versorgungssystems waren neben den Stadtbächen auch sogenannte Teuchel. Das waren durchbohrte Baumstämme, mit denen Quellwasser aus der Umgebung in die Stadt geleitet wurde. Die Wasserzufuhr über Bäche und Teuchel war jedoch störungsanfällig. Besonders im Kriegsfall konnten Feinde diese Zuflüsse leicht verunreinigen oder unterbrechen. Deshalb gruben die Menschen innerhalb der Stadtmauern auch Sodbrunnen . Diese Brunnenschächte reichten direkt zum Grundwasser, das mit einer Ziehkesselvorrichtung entnommen werden konnte. Die Sodbrunnen hatten jedoch den Nachteil, dass sie nicht immer genügend Wasser lieferten oder in heissen Sommermonaten sogar ganz trockenfallen konnten.

Winterthur baut monumentale Laufbrunnen

Um 1536 begann die Stadt Winterthur, die meisten ihrer Sodbrunnen schrittweise durch neue Laufbrunnen zu ersetzen. Doch ganz wollte man nicht auf diese kriegssichere Versorgung verzichten: Mindestens zwei Sodbrunnen, nämlich in der Neustadt und in der Hintergasse (heute Steinberggasse), waren bis ins 18. Jahrhundert noch in Betrieb. Die neuen Brunnenanlagen besassen oft zwei Tröge erhielten ihr Wasser über unterirdisch verlegte Teuchel . Ein grosser Trog diente der Frischwasserversorgung, ein kleinerer Nebentrog dem Wäschewaschen. Diese öffentlichen Brunnenanlagen wurden schnell zu wichtigen sozialen Treffpunkten, wo rege Neuigkeiten und Tratsch ausgetauscht wurden. Gleichzeitig zeigten die Städte ihren wachsenden Wohlstand durch eine möglichst prunkvolle Gestaltung ihrer Brunnen. Sie wurden oft mit Blumenstöcken und bemalten, von Säulen getragenen Figuren verziert. 

Auf einem um 1648 entstandenen Gemälde, das die Stadt Winterthur aus der Vogelperspektive zeigt, sind neben den beiden noch mit einem Häuschen versehenen Sodbrunnen sieben grosse und etwa zehn kleine Brunnen verzeichnet. In unmittelbarer Nähe fand sich meistens ein deutlich kleinerer Brunnen, der vermutlich zum Wäschewaschen diente. Die Brunnen waren an wichtigen Verkehrsknotenpunkten stationiert, also in der Nähe der Stadttore und Marktplätze.
 Zu den grossen und alten Brunnen zählten der «Goldbrunnen», der «Gerechtigkeitsbrunnen», der «Kreuzbrunnen», der «Florabrunnen», der «Wilde Mann-Brunnen», der «Holderbrunnen» und der «Samsonbrunnen».  Dabei standen sie nicht genau mittig in der Strasse, sondern waren leicht versetzt, um ausreichend Platz für Fuhrwerke zu schaffen. Die Nutzung der Brunnen und auch Stadtbäche war äusserst streng geregelt um Verunreinigungen des kostbaren Trinkwassers zu verhindern. Das verbrauchte Brunnenwasser wurde in den Stadtbach geleitet und so abgeführt.

Das 1842 fertiggestellte Knabengymnasium verfügt an der Hauptfassade über zwei dekorative Nischenbrunnen. Den grössten Brunnen in Winterthur errichtete Stadtbaumeister Wilhelm Bareiss für das neue Stadthaus im Jahr 1870.

Verbannung von Autos rehabilitiert die Brunnen

Weil die Stadt nach und nach wuchs, geriet die Versorgung über die öffentlichen Brunnen allmählich an ihre Grenzen. Zuerst baute die Stadt noch weitere Brunnen, zum Beispiel beim Alten Spital, auf dem Kirchplatz und bei der Adlerapotheke. Später investierte die Stadt in eine zentrale Wasserversorgung und kaufte dafür die Grundwasserquelle Bruchrain bei Rikon im Tösstal.

Mit der Einführung der modernen Wasserversorgung ab 1872 verloren die Brunnen ihre ursprüngliche Funktion als primäre Frischwasserspender. Sie galten nun als störend für den immer grösser werdenden Verkehr in der Altstadt. Also liess die Stadtregierung die Brunnen abtragen und an einem neuen Ort ausserhalb des Stadtkerns wieder aufstellen. Der Flora- und Justitiabrunnen wurde an die Technikumstrasse verlegt. Das gleiche Schicksal ereilte zuvor die Stadttore, die alle abgebrochen wurden. Auch sie hatten ihre Funktion verloren und entsprachen nicht mehr dem Selbstverständnis und den Ambitionen der im 19. Jahrhundert führenden industriellen Bürgerelite. Als Ersatz stellte die Stadt mehrere deutlich kleinere Gusseisenbrunnen auf, die sich jedoh in der Altstadt mit Ausnahme des Brunnens beim Unteren Graben nicht halten konnten und versetzt oder wieder abmontiert wurden. Viele davon waren sogenannte «Normbrunnen». Ein erhaltenes Exemplar findet sich heute noch bei der Schützenstrasse. Diese standardisierten Gusseisenbrunnen existierten in mehreren Schweizer Städten ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert und sollten im Katastrophenfall die Versorgung der Bevölkerung mit Frischwasser sicherstellen.

Die mehrheitlich brunnen- und damit auch schmucklose Altstadt gefiel nicht allen Bürger:innen. 1936 schenkte Carl Heinrich Ernst der Stadt den Fischmädchenbrunnen, der in der Steinberggasse aufgestellt wurde. Dennoch blieb der Stadtkern ein hartes Pflaster für die Wasserspender. Als im 20. Jahrhundert das Automobil allmählich die Pferdekutschen verdrängte, gerieten auch die Fussgänger:innen unter Druck. Auch für sie gab es kaum noch ein Durchkommen. Nach heftigen politischen Debatten befürwortete das Winterthurer Stimmvolk im Jahr 1973 die Einführung der autofreien Altstadt. Nun wirkten die Gassen nämlich zu leer und zu karg. So setzte sich der damalige Stadtbaumeister Karl Keller für die Rückverlegung der beiden grossen Steinbrunnen ein, die noch immer an der Technikumstrasse standen: 1977 kehrte erst der Justitiabrunnen und 1983 der Florabrunnen in die Altstadt zurück.

«Der Millionenbrunnen»

Um die Brunnen wurde es danach wieder ruhiger. In den 1990er-Jahren sorgte die Errichtung der «Judd-Brunnen» in der Steinberggasse für viel Aufsehen. International werden sie als bedeutendes Kunstwerk der Minimal Art wahrgenommen und gefeiert, während die lokale Bevölkerung sie in erster Linie als Bade- und Erfrischungsmöglichkeit ins Herz geschlossen hat. Es handelt sich wohl um die beliebteste Brunnenanlage der Stadt. Im Gegensatz zum Stadthausbrunnen sind sie auch zum Baden geeignet.

Dorfbrunnen

Neben den Altstadtbrunnen gibt es in den ehemaligen Vorortsgemeinden noch viele gut erhaltene Dorfbrunnen. Diese stammen überwiegend aus dem 18. bis 20. Jahrhundert und zeichnen sich durch ihre liebevoll gepflegten Blumenstöcke auszeichnen. Die einzelnen Brunnen sind in folgenden Artikeln zusammengefasst:  Hegi, Mattenbach, Reutlingen und Stadel, Töss, Veltheim, Wülflingen.

Trockengelegte Badebrunnen

Im Jahr 2022 sorgten die städtischen Brunnen für Schlagzeilen, als der Stadtrat sie im Hinblick auf eine mögliche Energiemangellage in der Schweiz über den Winter abstellte. Die Energiesparmassnahme dauerte bis zum 15. April 2023. Davon betroffen war auch die Winterthurer Sektion des Vereins Brunnen gehn. Der Verein heizt im Winter öffentliche Brunnen auf und lädt zum Baden ein.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Stadtarchiv Winterthur, Karl Keller: Winterthurer Brunnen (Signatur  A 23/40)
Von Wartburg, Deborah: Bald sprudeln die Brunnen wieder, in: Der Landbote, 14.04.2023.
Keller, Jonas: Stadt spart beim Heizen, den Brunnen und dem Licht, in: Der Landbote, 10.08.2022.
Verein Frauenstadtrundgang Winterthur: Frauenblicke, Zürich 2006.

Bibliografie


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024