Politik

Elisabeth von Ungarn

Ungarische Königstochter und berühmte Nonne des Klosters Töss, 1293/95–1336

Die ehemalige Prinzessin Elisabeth von Ungarn lebte 28 Jahre lang als Nonne im Dominikanerinnenkloster Töss. Das Schicksal der ungarischen Prinzessin steht beispielhaft für die mittelalterliche Heiratspolitik. Ihr werden Wunderheilungen zugesprochen und nach ihrem Tod wurde sie im Kloster und in Töss als Heilige verehrt. Ihr zu Ehren findet sich bis heute das weisse Ungarenkreuz im Tössemer Wappen.


Sterbeort
Kloster Töss

Geburtsort
Budapest

Geboren
1293/95

Gestorben
31.10.1336


Die Deckplatte des Sarkophags der Prinzessin Elisabeth von Ungarn ging mit dem Verkauf des Klosterareals in Töss 1850 in den Besitz der Familie Rieter über. Diese schenkte sie 1898 dem Landesmuseum
Foto: winbib (Signatur 082647)

Überlieferung

Die Lebensgeschichte der Prinzessin Elisabeth von Ungarn ist als Legende an die im 14. Jahrhundert entstandenen 33 Viten der Ordensschwestern von Töss angehängt, die Elsbeth Stagel zugeschrieben werden. Die Viten inklusive der Legende von Elisabeth wurden in der Mitte des 15. Jahrhunderts von Johannes Meyer (1442–1485) herausgegeben, einem Dominikanermönch und Beichtvater der Frauenklöster. Es existieren drei Handschriften, je eine in der Stiftsbibliothek St. Gallen und in den Stadtbibliotheken Überlingen und Nürnberg. Ob Elsbeth Stagel wirklich als Verfasserin aller Viten inklusive der Elisabethenlegende gelten kann, wird heute bezweifelt. Viele Details in der Legende weisen jedoch daraufhin, dass diese von einer oder mehreren Personen verfasst wurde, die Elisabeth und ihr Leben gut gekannt haben. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss von Johannes Meyer, der als Reformer der Dominikanerinnenklöster Elisabeth als frommes Vorbild mit Leidensgeschichte nach dem Beispiel Jesu inszenierte. 

1906 verfasste Ferdinand Vetter (1847-1924), ein Schweizer Germanist und Mediävist, eine erste deutsche Übersetzung. Darauf stützt sich auch die in Winterthur bekannteste Fassung der Legende, die im Jahr 2000 vom ehemaligen Stadtpfarrer Robert Heinrich Oehninger herausgegeben wurde. Unter dem Titel «Der Schleier der Prinzessin» wurde Elisabeth wieder einem breiteren Publikum bekannt und inzwischen gibt es auch eine ungarische Übersetzung. Oehninger hat auch die 33 Nonnenviten als Übersetzung und Kommentar publiziert, wobei er gleichzeitig als Übersetzer, Theologe und Historiker tätig wurde. Die Nacherzählung der Lebensgeschichte von Elisabeth von Ungarn stützt sich im Folgenden zu grossen Teilen auf Oehningers Übersetzung und Kommentar.

Kindheit und frühe Jugend

Elisabeth wurde um 1293/95 im heutigen Budapest als Tochter des letzten Arpadenkönigs Andreas III. von Ungarn geboren. Bereits als Kind wurde sie mit einem Herrn von Paiger verlobt. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter heiratete ihr Vater 1296 die Habsburgerin Agnes, Tochter des deutschen Königs Albrecht I. Aus dieser Ehe entsprangen keine Kinder und so wurde Prinzessin Elisabeth zur Haupterbin der ungarischen Krone. Wer Elisabeth heiratete, hatte also reelle Aussichten auf die Stephanskrone. Diese begehrte nicht zuletzt Albrecht I. Auf Wunsch von Agnes sandte Andreas III. seine Tochter nach Wien an den habsburgischen Hof. Dort sollte sie an einen habsburgischen Kandidaten verheiratet werden - ein Plan, der allerdings von Andreas III. durchschaut und nicht goutiert wurde. Um Albrecht I. zuvorzukommen, verlobte er sie mit Wenzel III., dem Sohn und Thronerben des Königs von Böhmen. Diese bevorstehende Ehe war dem Haus Habsburg ein Dorn im Auge, da dadurch Ungarn in die rivalisierende böhmische Einflusssphäre zu geraten drohte. 

Als Andreas III. 1301 unerwartet starb, nutzte Königin Agnes die Gunst der Stunde und liess die Verlobung mit Wenzel III. für nichtig erklären. Stattdessen verlobte sie ihre Stieftochter mit Herzog Heinrich von Österreich - dem jüngsten Bruder von Agnes - und erklärte diesen auch gleich zum Thronerben. Ihr politisches Kalkül stiess allerdings auf den Widerstand der lokalen Fürsten und Adligen, die Agnes und ihre Stieftochter darauf Gefangen setzten. 

Agnes und Elisabeth wurden daraufhin aus Ungarn verbannt und mussten sich nach Wien zurückziehen. Dort setzte Agnes alles daran, die Heirat doch noch durchzusetzen, doch Elisabeth von Ungarn pochte auf die versprochene Ehe mit einem Spross Böhmens und verweigerte die Ehe mit Heinrich von Österreich. 1308 wurde die habsburgische Position weiter empfindlich geschwächt, als Albrecht I. bei Windisch 1308 einem Mordkomplott zum Opfer fiel. Agnes floh mit Elisabeth in ihre Stammlande in der heutigen Schweiz. Dort gründete sie das als habsburgischer Erinnerung- und Bestattungsort gedachte Kloster Königsfelden. Auch Elisabeth sollte in ein Kloster eintreten. Auf diese Weise konnte die ungarische Erbtochter dem heiratspolitischen Zugriff von böhmischen Kräften entzogen werden.

Eintritt und Leben im Kloster

Gemäss der Legende entschied sich Elisabeth nach der Besichtigung mehrerer Klöster freiwillig für dasjenige in Töss. Ob der Klostereintritt selbst auch freiwillig erfolgte, muss offenbleiben. Um jegliche Fluchtversuche zu Unterbinden, wurde ihr eine habsburgertreue Aufseherin zur Seite gestellt. Weiter erzählt die Legende, dass Elisabeth im Alter von 13 Jahren «demütig» ins Kloster eingetreten sei. Ihr soll darauf als erste Frau vor dem Hauptaltar in der neuen Stiftskirche das Ordensgewand angelegt worden sein. Emil Stauber, der 1926 die Geschichte von Kloster und Gemeinde Töss nachgezeichnet hat, identifiziert diesen Hauptaltar als denjenigen, der im Jahr 1315 u. a. der heiligen Elisabeth von Thüringen geweiht wurde und der auch in der Legende erwähnt wird. Damit wäre Elisabeth bei ihrem Eintritt bereits etwa 20 Jahre alt gewesen. Allerdings passt dieser späte Eintritt nicht zu Agnes’ Entscheidung, Elisabeth in ein Kloster zu geben. Der Eintritt erfolgte also eher um 1309/10. Dazu passt auch, dass Elisabeths ehemaliger Verlobter, Herzog Heinrich von Österreich, bereits 1314 eine andere Elisabeth heiratete. 

Ein wichtiger Teil der Legende und sozusagen der Beginn von Elisabeths vorbildlichem Klosterleben ist eine Episode, in der Heinrich von Österreich Elisabeth im Kloster aufsuchte, ihr den Schleier vom Kopf riss und sie davon überzeugen wollte, mit ihm ein weltliches Leben zu führen und die Königskrone zu tragen. Es handelte sich somit um den letzten habsburgischen Versuch, die Krone doch noch an sich zu reissen. Elisabeth bat daraufhin Gott um einen Hinweis und erhielt ein Zeichen, das sie dazu brachte, Heinrich abzusagen. So entschied sie sich gemäss Legende für die «Aussteuer, die [Gott] seinem einziggeborenen Sohn gab: das war Heimatlosigkeit, Leiden und Armut.»

Nach dem gescheiterten Versuch Heinrichs wandte sich auch Agnes endgültig von ihrer Stieftochter ab. Elisabeth von Ungarn verbrachte anschliessend fast drei Jahrzehnte im Kloster. Gemäss der Legende war Elisabeths Leben von stetiger Krankheit geprägt. Sie starb gemäss der von Johannes Meyer in der Legende zitierten Grabinschrift 1336 «nach 28 Jahren ehrenvollen Lebens in diesem Konvent von Töss». Auf die Erzählung von ihrem Tod folgen in der Legende verschiedene Berichte von wundersamen Heilungen durch Elisabeth.

Grab und Erinnerung

Der Legende folgend, wurde Elisabeth neben dem Hochaltar begraben. Johannes Meyer will die Grabplatte im 15. Jahrhundert noch in der Kirche gesehen haben. Sie wird ebenfalls in Berichten aus dem Jahr 1770 erwähnt, als Abgesandte von Kaiserin Maria Theresia nach Angehörigen der Habsburgerfamilie suchten. Elisabeths Gebeine wurden jedoch nicht gefunden. Die Grabplatte verblieb in der Klosterkirche und gelangte 1850 in den Besitz von Johann Jakob Rieter, der das gesamte Klosterareal sukzessive erworben hatte. Er liess Überreste des Klosters als dekorative Elemente im Garten seiner Villa aufstellen. 1898 übergab die Familie Rieter die Grabplatte dem Landesmuseum als Schenkung. Die Forschung ist sich nicht einig, ob sie mit Inschrift bereits im 14. oder erst im 15. Jahrhundert zusammen mit der einsetzenden Elisabethenverehrung entstanden ist, von der auch die Legende und das Ungarnkreuz im Tössemer Wappen zeugen. Elisabeth soll zudem eine der Seligen sein, die auf dem Himmelsfresko der Rotunde in der Kathedrale St. Gallen abgebildet sind. 

Würdigung mit eigener Strasse

Im Dättnau wurde im Jahr 2008 in Erinnreung an die beiden Klosterfrauen Elisabeth von Ungarn und Elisabeth Stagel der Elisabethenweg eingeweiht. Die Würdigung steht im Kontext des Bestrebens in Winterthur, mehr Frauen im öffentlichen Raum sichtbar zu machen. Die Namensvergabe fand vor der Änderung der städtischen Vergabepraxis statt - diese sieht seit 2015 vor, dass nur noch bedeutende Strassen einer verdienstvollen Persönlichkeit gewidmet werden dürfen. 


Benutzte und weiterführende Literatur


Keller, Jonas: Wie die Prinzessin aus Töss den Weg in die Heimat fand, in: Der Landbote, 05.07.2022. Online: Königstochter in Winterthur: Wie die Prinzessin aus Töss den Weg in die Heimat fand | Der Landbote , Stand 29.06.2023.
Niederhäuser, Peter: Die vergebliche Suche nach einer Prinzessin, in: Winterthurer Jahrbuch 2021, S. 110-113.
Betschart, Andres; Busz, Stefan; Garcia, Miguel: Von Ackeret bis Zytmoos. Strassennamen in Winterthur. In: Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Band 357, Zürich 2020.
Meier, Nicole: Die seligen Schwestern werden lebendig, in: Winterthurer Jahrbuch 2005, S. 136-139.
Oehninger, Robert Heinrich: Der Schleier der Prinzessin. Die Legende von der Prinzessin Elisabeth von Ungarn, Winterthur, 2000.
Delmar, Emil: Das Grabmal der Prinzessin Elisabeth von Ungarn im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 4/3, Zürich 1942.
Die ungarische Königstochter in Töss, in: Neue Zürcher Zeitung, 21.07.1932. (online e-newspaperarchives.ch)
Stauber, Emil: Geschichte der Gemeinde Töss, in: 260. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, 1926.
Vetter, Friedrich: Das Leben der Schwestern zu Töß, beschrieben v. Elsbeth Stagel samt der Vorrede von Johannes Meier und dem Leben der Prinzessin Elisabet v. Ungarn, Berlin 1906.

Bibliografie

    Elisabeth von Ungarn, um 1295-1336, im Kloster Töss

    • Einträge ab 2011

      Niederhäuser, Peter: Vergebliche Suche nach einer Prinzessin. In: Winterthurer Jahrbuch 2020. S. 110-113. m.Abb.
      Zweifel, Thomas: Zuerst Heiligenschrein, dann privater Grottenschmuck und schliesslich Museumsstück. In: De Tössemer, November (2022). S. 11-12. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Ungarische Königstochter im Kloster Töss: Landbote 2000/36 S.19 f. von Silvia Volkart, m.Abb.
      Sarkophag: Eine Rose für die Prinzessin von Ungarn: Tössemer 2007/4 von Heinz Hinrikson-Wepfer, 1Abb.


Autor/In:
Mirjam Sidler
Letzte
Bearbeitung:
08.09.2023