Politik

Hans Hollenstein

Stadtrat (CVP, die Mitte) *1949

Hans Hollenstein (CVP) war von 1990 bis 2005 Winterthurer Stadtrat und von 2005 bis 2011 Zürcher Regierungsrat. Danach führte er von 2011 bis 2019 die eidgenössische Postkommission (PostCom). Danach wurde er Präsident der katholischen Kirchengemeinde Winterthur.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
21.02.1949


Hans Hollenstein beschäftigt sich in seiner Freizeit gerne mit Kunst und Geschichte, hier bei einem Besuch in der Stadtbibliothek vor dem Zettelkatalog stehend, 1990.
Foto: winbib, Marc Dahinden (Signatur FotLb_004141)

Persönlicher Werdegang

Hans Hollenstein wurde am 23. Februar 1949 in Winterthur geboren. Er absolvierte eine kaufmännische Lehre in der Textilbranche und besuchte im Anschluss die Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule und erreichte so auf dem zweiten Bildungsweg die Maturitätsreife. 1973 bestand er die Aufnahmeprüfung an der Universität Bern und studierte Wirtschaftswissenschaften. 1980 heiratete er Margrit Gerig mit der er zwei Adoptivkinder grosszog. Nach seinem Studium arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent an der Hochschule St. Gallen und schrieb an seiner Dissertation «Spitzenmanager in der Schweiz» die er 1985 erfolgreich abschloss. Eigentlich wäre Hans Hollenstein gerne Dozent an der HSG geworden, doch ein Professor riet ihm dazu in die Privatwirtschaft zu gehen. Ein Rat, den Hollenstein darauf befolgte und nie bereute. Während er doktorierte, arbeitete er bis zu seiner Wahl in den Stadtrat 1990 bei den Winterthur-Versicherungen als Prokurist in der Abteilung Regionaldirektoren.

Politischer Werdegang

Bereit 1970 trat Hollenstein in die christlichdemokratische Volkspartei (CVP) ein. Von 1973 bis 1983 präsidierte er die Kreispartei Veltheim. Bei den Gesamterneuerungswahlen von 1982 schaffte er den Sprung in den Grossen Gemeinderat und übernahm bald darauf das Fraktionspräsidium, das er bis 1986 innehatte. Seine politischen Schwerpunkte lagen damals in der Umwelt-, Finanz-, Sozial- und Familienpolitik.  

Hans Hollenstein als Stadtrat

Anlässlich der Stadtratswahlen von 1990 nominierte die CVP Hans Hollenstein als Nachfolger für den zurückgetretenen Parteikollegen Ernst Huggenberger (CVP). Er schaffte die Wahl mit dem drittbesten Ergebnis. Hans Hollenstein übernahm das Departement Sicherheit und Umwelt. Zu einem seiner grössten Geschäfte zu Beginn seiner Amtszeit gehörte die Federführung für das kantonale Projekt einer Sondermüllverbrennungsanlage (Saba) in Winterthur.

Hollenstein galt als beliebter und volksnaher Stadtrat. Er handelte sich den Ruf eines gründlichen und soliden Verwalters ein. Als grosser Reformer oder Neuerer tat er sich hingegen eher nicht hervor, dafür war er bekannt für seine Visualisierungen. Egal ob bei Sitzungen oder Projektbesprechungen, Hollenstein arbeitete gern mit dem Flipchart und ergänzte seine Ausführungen mit Zeichnungen. Einigen Unmut zog er auf sich, als er ein Postulat zur Aufnahme von Männern in den Beruf der Polizeihostessen ablehnte. Ebenfalls Reibungen gab es mit der Jugendszene rund um das Jugendhaus, welche die in den frühen 1990er-Jahren von der Stadtpolizei Winterthur durchgeführten «Hasch-Razzien» als unverhältnismässig kritisierten. Dabei erhielten sie Unterstützung von namhaften Winterthurer:innen, die am 4. Januar 1994 im Landboten ein Inserat schalteten, wo sie sich öffentlich zum persönlichen Cannabiskonsum bekannten. Auf Beschluss des Gesamtstadtrates wurden die Haschisch-Razzien darauf eingestellt. Zu seinen wichtigsten Projekten während seiner Amtszeit als Stadtrat gehörte die schrittweise Einführung der Tempo-30-Zonen in den Quartieren. Ebenfalls verteidigte er das städtische Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) vor einer Kantonalisierung (diese wurde dann 2005 dennoch umgesetzt).

Schweizer Radio und Fernsehen (SRF): Kritisches Porträt zu Hans Hollenstein, CVP-Kandidat Stadtratswahlen in: 10vor10, 14.02.1994.

Wahl in den Regierungsrat beim zweiten Versuch

Im Jahr 2003 kandidierte Hans Hollenstein erfolglos für den Regierungsrat. Obwohl er das absolute Mehr erreicht hatte, schied er als Überzähliger aus. Zum Verhängnis bei dem knappen Resultat wurde ihm damals wahrscheinlich das Fluglärmdossier, wo er die Interessen der Gemeinden im Osten des Flughafens vertreten hatte und sich so den Zorn der Flugschneisengegner:innen im Süden auf sich gezogen hatte.

2005 wagte Hans Hollenstein einen neuen Anlauf bei der Ersatzwahl für den zurückgetretenen Christian Huber (SVP) und trat gegen Nationalrätin Ruth Genner (Grüne) und Toni Bortoluzzi (SVP) in den Wahlkampf. Nachdem Toni Bortoluzzi und Ruth Genner auf eine Kandidatur im zweiten Wahlgang verzichteten. Die SVP stellte im Anschluss Bruno Heinzelmann als neuen Gegenkandidaten auf. Heinzelmann blieb aber gegen Hans Hollenstein chancenlos. Weil es unter anderem vor allem die linken Stimmen waren, die Hans Hollenstein zum Sieg verhalfen, wurde er nach der Wahl manchmal auch als «Hans im Glück» bezeichnet. Mit Hans Hollenstein zog erstmals seit 22 Jahren (der letzte Regierungsrat war Arthur Bachmann (SP) wieder ein Winterthurer in den Zürcher Regierungsrat ein. Entsprechend gross war die Freude und so wurde der frischgewählte Hans Hollenstein mit einer grossen Feier im Stadthaus empfangen.

Hans Hollenstein wurde zuerst Finanzvorsteher und wechselte 2007 ins Sicherheitsdepartement. Zu den wichtigsten Ereignissen während seiner Amtszeit zählte die Besetzung der Predigerkirche durch Sans-Papiers 2008. Dabei reagierte Hollenstein eher zögerlich und zurückhaltend, konnte aber mit der Wiedereinführung einer Härtefallkommission im Jahr 2009 erfolgreich vermitteln.  Die zweite grosse Krise ereignete sich im Frühjar 2010. Ein Anwalt übte scharfe Kritik an der Arbeitsführung im Migrationsamt. Hans Hollenstein liess die Vorwürfe untersuchen und stiess Reformen an. Ebenso musste der damalige Amtschef seinen Posten räumen. Auch hier wurde der Vorwurf laut, dass der Regierungsrat zu zögerlich gehandelt habe.

Weitere Kritik erntete der gesamte Zürcher Regierungsrat und damit auch Hans Hollenstein in seiner damaligen Funktion als Finanzminister im Kontext der Affäre rund um den damaligen Anlagechef der kantonalen Pensionskasse BVK. Der Skandal beschäftigte die Zürcher Politik und Justiz von 2006–2015. Es handelte sich um einen der grössten Korruptionsskandale in der Geschichte der Schweiz. Für die politische Aufarbeitung des Skandals wurde eine Parlamentarische Untersuchungskommisison (PUK) eingesetzt. Diese warf dem Zürcher Regierungsrat, insbesondere den Finanzvorsteher:innen vor, ihre Aufsichtspflicht nicht genügend wahrgenommen zu haben. Diese Vorwürfe, wurden von Seiten der betroffenen Regierungsrät:innen mehrheitlich zurückgewiesen. Ein juristisches Nachspiel hatte die Affäre für die Mitglieder der Exekutive nicht, da die BVK auf eine Haftungsklage verzichtete.

PostCom Präsident

Kurz nach seiner Abwahl aus dem Zürcher Regierungsrat schlug Bundesrätin Doris Leuthard (CVP) ihn als Präsidenten der neugeschaffenen Eidgenössischen Postkommission (PostCom) vor. Die Behörde ist für die Überwachung des Postmarktes zuständig und vermittelt bei Streitigkeiten zwischen den Postanbietern. Hans Hollenstein war als erster Präsident für den Aufbau der PostCom Zuständig und führte die Behörde bis 2019. In dieser Zeit kam es in der Schweiz zu einem massiven Abbau von Postfilialen. Als Schlichter war Hollenstein deshalb vermehrt auch in den kleineren Gemeinden unterwegs.

Soziales Engagement

Hans Hollenstein ist seit einigen Jahren Präsident der Stiftung Solidarität mit der Welt. Nach seinem Rücktritt aus der PostCom engagierte sic Hollenstein in der katholischen Kirchenpflege Winterthur, die er seit 2019 präsidiert. Damit führt er die grösste katholische Kirchengemeinde des Kantons. Im Zuge seiner Kandidatur sprach sich Hollenstein für die Zulassung von Frauen zur Priesterweihe aus.

Benutzte und weiterführende Literatur

jev/chb/sda: BVK-Debakel: Rote Köpfe im Zürcher Kantonsrat, in: Handelszeitung (online),  26.11.2012.
Radio-Top: BVK-Affäre: Schelte für den Zürcher Regierungsrat, in: toponline.ch, 26.11.2012.
Schraner, Thomas: Aufstieg, Absturz und Neustart, in: Der Landbote, 05.01.2012.
Reich, Felix: Der überzählige Regierungspräsident, in: Der Landbote, 31.03.2011.
Schraner, Thomas: Regierung wird grüner und linker, in: Der Landbote, 04.04. 2011.
Schraner, Thomas: Jovialer Magistrat zwischen den Fronten, in: Der Landbote, 31.01.2011.
Gmür, Martin: Er predigt das Gute und glaubt selber daran, in: Tagesanzeiger, 27.02.2003.
Eberhard, Marion: Der Hirte Hollenstein sorgt für seine Schäfchen, in: Stadtblatt, 28.12.2001.
Schaufelberger, Hans: Die Stadt Winterthur im 20. Jahrhundert. Eine Chronik mit begleitenden Texten. Neue helvetische Gesellschaft, Winterthur, 1991. S. 279.

Bibliografie

    Hollenstein, Hans, 1949-, Dr. oec. publ., Stadtrat, Regierungsrat ab 2005

    • Einträge 1991–2010

      In: Hans Schaufelberger. Die Stadt Winterthur im 20. Jh. 1991, S.279.
      Stadtblatt 1998/14 1Abb. - Landbote 1998/5 1Abb.
      Buch "Strategische Führung...": Stadtblatt 2001/33.
      In: Tages-Anzeiger 2001/284 1Abb., 2002/16. - Landbote 2002/11 1Abb.
      Kandidat Regierungsrat: Landbote 2002/95, 133 Stadtalk, 2003/43, 58 1Abb. - NZZ 2002/96 S. 45 1Abb., 2003/26 S. 45 1Abb., 39 S. 29 1Abb. - Tages-Anzeiger 2002/96, 97, 2003/48 von Martin Gmür, 1Abb. [Winterthurer Dok. 2003/4]. - Stadtblatt 2003/8 Interview. - Winterthurer Zeitung 2003/13 1Abb.
      Regierungsratskandidat 2005: NZZ 2004/230 S. 55 1Abb., 251 S. 49 1Abb., 2005/13 S. 27 1Abb. - Landbote 2004/230 1Abb., 251 1Abb., 287 SP, 2005/19 1Abb. - Tages-Anzeiger 2004/229 1Abb., 251 1Abb., 2005/15 Ein Optimist..., von Roger Keller, 1Abb., 17 Komitee pro, 18. - Stadtblatt 2005/7 m.Abb. - Winterthurer Zeitung 2004/41, 2005/2.
      Unterstützungkomitee: NZZ 2005/20 S. 51.
      Ergebnis, 2. Wahlgang: Tages-Anzeiger 2005/49 m.Abb. - Landbote 2005/49 m.Abb. - NZZ 2005/49.
      2. Wahlgang. Komitee bleibt: Tages-Anzeiger 2005/58. - NZZ 2005/61 S. 35. - Stadtblatt 2005/9, 11, 12, 15 m.Abb.. - Landbote 2005/64. - NZZ 2005/64 S. 59.
      Duell Hollenstein-Bruno Heinzelmann: Landbote 2005/70 m.Abb.
      Wahl: Landbote 2005/83 m.Abb. - NZZ 2005/83. - Tages-Anzeiger 2005/83 1Abb. - Zürcher Oberländer 2005/83 m.Abb.
      Verabschiedung als Stadtrat: Landbote 2005/114 m.Abb. - Stadtinfo 2005/6 1Abb.
      Vereidigung: 116 , m.Abb. - Tages-Anzeiger 2005/118 1Abb.
      Neuerungen: Tages-Anzeiger 2005/139 Interview.
      11 Monate Regierungsrat: Stadtblatt 2006/17.
      Der Gute-Laune-Macher: NZZ 2006/302 S. 48 1Abb.
      Tages-Anzeiger 2007/45 1Abb. [Winterthurer Dok.2007/3]Politische Bilanz: NZZ 2007/52 S. 63 1Abb.
      Regierungsrats-Wahlen 2007. Stadtanzeiger 2007/15 Interview. - NZZ am Sonntag 2010/18 1Abb.-- Führung Migrationsamt. Kritik: Tages-Anzeiger 2010/102 1Abb.
      Regierunsratspräsident. Interview: Landbote 2010/100 1Abb. - Feier: Tages-Anzeiger 2010/104 1Abb. - Landbote 2010/104 m.Abb.
      Amtsführung, Kritik: Landbote 2010/102 1Abb., 193 1Abb. - NZZ 2010/119 S. 19 1Abb., 195 S. 13 Interview. - Tages-Anzeiger 2010/193 m.Abb., 195 Interview, 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
03.02.2023