Politik

Hans Sträuli

Richter, Stadtpräsident, Nationalrat, 1862–1938

Hans Sträuli war von 1911 bis 1930 Stadtpräsident von Winterthur. Seine Amtszeit im Stadtrat fiel in die politisch prägende Phase der Eingemeindung von 1922. Von 1917 bis 1934 sass er zudem für die Demokratische Partei (DP) im Nationalrat.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
31.07.1862

Gestorben
06.06.1938


1911 wurde Hans Sträuli zum Stadtpräsident von Winterthur gewählt. Er blieb sein Leben lang mit der Stadt verbunden.
Foto: winbib, Hermann Linck (Signatur 172565)

Beruflicher Werdegang

Hans Sträuli wurde am 31. Juli 1862 in die alteingesessene Winterthurer Familie Sträuli hineingeboren und ist auch in der Eulachstadt aufgewachsen.  Sein Vater war der Obergerichtspräsident Heinrich Emil Sträuli (1834–1894), seine Mutter Anna Ganzoni (1833–1867). Im Alter von erst fünf Jahren musste Hans Sträuli den Tod seiner Mutter verkraften. Nach dem Besuch der Volks- und Kantonsschule in Winterthur erlangte er 1881 die Maturität.

Im Anschluss studierte Hans Sträuli Rechtswissenschaften an den Universitäten Zürich, Strassburg, Berlin und Heidelberg. Bereits 1885 erlangte er mit seiner Dissertation über das Retentionsrecht die Doktorwürde. Daneben absolvierte er Sprachaufenthalte in der französischen Schweiz, in Paris und London. Als Ausgleich zur Jurisprudenz wandte er sich mit Vorliebe kunsthistorischen Themen zu. Nach seinem Studium kehrte er nach Winterthur zurück und trat in das Anwaltsbüro Knüsli ein. Zehn Jahre lang betätigte er sich als Anwalt, ohne jedoch in seinem Beruf wirklich glücklich zu werden. Erfreut war er deshalb, als er 1897 in das zürcherische Obergericht gewählt wurde. 1902 wählte ihn die Bundesversammlung gar zum Bundesrichter. Hans Sträuli lehnte jedoch das prestigeträchtige Amt ab und verblieb beim kantonalen Obergericht, das er von 1906 bis 1909 präsidierte und wo er bis zu seiner Wahl zum Stadtpräsidenten im Jahr 1911 arbeitete. Damit trat er in die Fussstapfen seines Vaters. Seine juristische Expertise brachte er in mehreren Publikationen zur Geltung, so beispielsweise in seinen Kommentaren zur Zürcher Rechtspflege. Aber auch an historischen Gegebenheiten zeigte sich der Politiker interessiert und publizierte Artikel zur lokalen und nationalen Politikgeschichte.

Politische Laufbahn

1892 wurde Hans Sträuli für die Demokratische Partei (DP) in den Grossen Stadtrat gewählt. Als im Jahr 1911 der damalige Stadtpräsident und Nationalrat Rudolf Geilinger nach 32 Jahren im Amt starb, wurde Hans Sträuli sofort als sein Nachfolger gehandelt. Sträuli war zwar zuerst hin- und hergerissen, da er seinen Posten am Obergericht nur ungern aufgeben wollte. Schliesslich gab er nach und wurde 1911 zum Stadtpräsidenten und gleichzeitig auch zum Nationalrat gewählt.

Die ersten Amtsjahre Hans Sträulis waren von Lohnkonflikten in der Privatwirtschaft und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges geprägt. Sträuli oblag die Leitung der Kriegsfürsorge. Im Dezember 1917 gab der Winterthurer Bundesrat Ludwig Forrer seinen Rücktritt bekannt. Auch hier galt Hans Sträuli als Favorit für dessen Nachfolge. Sträuli selbst wollte jedoch nicht Bundesrat werden und schlug eine Kandidatur aus.

Zur Zerreissprobe auf nationaler und städtischer Ebene wurde der Generalstreik von 1918. Die Winterthurer Arbeiterschaft folgte der Streikparole, und so standen die Fabriken auch in der Eulachstadt still. Der Bundesrat schickte darauf Truppen nach Winterthur. Der Stadtrat war aber der festen Überzeugung, dass die hiesige Arbeiterschaft friedlich bleiben würde, sofern sie nicht durch das Militär provoziert würde. Aus diesem Grund wurden die Truppen ausserhalb der Stadt stationiert, und zwar in Bassersdorf und Brütten – allzeit bereit, sofort nach Winterthur einzumarschieren. Zu diesem Einmarsch kam es – ohne Aufforderung der Stadtregierung - am zweiten Tag des Generalstreiks. Auf nachdrücklichen Wunsch des Stadtrates beschränkten sich die beiden eingesetzten Bataillone sowie das Guidenschwadron jedoch auf den Schutz des Bahnhofes und der Postanlagen. Zu ernsthaften Zwischenfällen kam es in Winterthur nicht.

Auf nationaler Ebene beteiligte sich Sträuli an der Neufassung des Bundesgesetzes über die Fabrikarbeit und 1925 an der Verfassungsrevision für die AHV. Ebenfalls sprach er sich bereits damals für die Einführung des Frauenstimmrechts aus.

Hans Sträuli als Stadtpräsident

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Winterthur ab 1921 von einer schweren Wirtschaftskrise erfasst. Die Arbeitslosigkeit stieg über die Tausendermarke – und dies in einer Zeit, als es noch keine Arbeitslosenversicherung gab. Die Not führte zu Unruhen und ungewohnt heftigen Demonstrationen der Arbeiter in der Stadt. Deren Ärger richtete sich hauptsächlich gegen die bürgerlichen Volksvertreter. Nachdem der Bundesrat 1921 eine Gesetzesgrundlage für die Auszahlung von Herbst- und Winterzulagen für Arbeitslose schuf, machte Winterthur bald darauf regelmässig davon Gebrauch, was zur Entspannung der Situation beitrug.

Ein prägendes Grossereignis, das untrennbar mit Hans Sträuli verknüpft ist, war die Stadtvereinigung von 1922. Am 3. Juli 1921 wurden erstmals die 60 Mitglieder des neu geschaffenen Grossen Gemeinderats gewählt und am 4. September 1921 der Stadtrat. Hans Sträuli wurde dabei als Stadtpräsident bestätigt und war nun Schirmherr von nicht mehr nur 27’00 Einwohnern, sondern deren 50'000. Gleichzeitig war Winterthur durch die Eingemeindung zu einer der flächenmässig grössten Städten des Landes geworden. Entgegen einigen Befürchtungen, dass sich die Finanzkrise in den kommenden Jahren noch zuspitzen könnte, trat eine allmähliche Entspannung der Lage ein, und die Stadt erlebte bis 1929 eine Phase des Aufbruchs.

«Gross-Winterthur» brauchte auch innerhalb der bestehenden Strukturen mehr Platz. Hans Sträuli setzte sich in der Folge unter anderem für die Erweiterung des Stadthauses, die Verbesserung des Theatersaales im Kasino und die Schaffung eines Saales im damals erst projektierten Volkshaus ein. Weiter wurden die gesamte städtische Infrastruktur ausgebaut und der Wohnungsbau gefördert. In seine Amtszeit fielen zudem die Einführung der städtischen Arbeitslosenversicherungskasse und die Schaffung der Öffentlichen Krankenkasse in Winterthur. Besonders stolz war Hans Sträuli auf die unter seiner Leitung durchgeführte Kantonale Zürcherische Ausstellung für Landwirtschaft und Gartenbau im Jahr 1924.

Arbeiterfrieden von 1937

Als es 1929 zu einem Arbeitskonflikt in der Maschinenindustrie kam, war Hans Sträuli Mitglied der interkantonalen Schlichtungsstelle. Mit seinem Mitwirken leistete er eine wichtige Vorarbeit für das Friedensabkommen von 1937.

Rücktritt und Ruhestand

Nach 19 Jahren im Amt gab der inzwischen 68-jährige Stadtpräsident seinen Rücktritt bekannt. Seine Nachfolge übernahm sein Parteikollege Hans Widmer (DP). Im Nationalrat verblieb Sträuli noch bis 1934. Er widmete sich wieder vermehrt dem Verfassen von juristischen Texten. Seine letzten Lebensjahre waren von Krankheit geprägt. Hans Sträuli verstarb am 6. Juni 1938.

Benutzte und weiterführende Literatur

Schaufelberger Hans: Die Stadt Winterthur im 20. Jahrhundert. Eine Chronik mit begleitenden Texten. Neue helvetische Gesellschaft, Winterthur 1991, S. 247–250.
Rüegg, Hans: Stadtpräsident Dr. Hans Sträuli, in: Winterthurer Jahrbuch 1972, S. 41–74.

Bibliografie

    Sträuli, Hans, 1862-1938, Dr. iur., Stadtpräsident

    • Einträge 1991–2010

      In: Hans Schaufelberger. Die Stadt Winterthur im 20. Jh. 1991, S. 247 ff. 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
16.07.2022