Wohnhäuser

Haus zum Warteck

Stadthausstrasse 39

Für den Bau des Wohn- und Geschäftshauses «Warteck» von 1857 bis 1861 engagierte der Winterthurer Textilfabrikant und Kaufmann Jakob Theodor Ziegler-Bühler den bekannten Zürcher Architekten Leonhard Zeugheer. Der Stadtpalast im Stil der Neurenaissance gehört zu den bedeutenden Baudenkmälern in der Schweiz und ist im Inventar der schutzwürdigen Bauten der Stadt Winterthur aufgeführt.


Baujahr
1861


Adresse
Stadthausstrasse 39
8400 Winterthur
Wohn- und Geschäftshaus Warteck,  Stadthausstrasse 39, 1867. Foto: winbib (Signatur FotFol_003-062)

Vom Kornhaus mit Gefängniszellen zum herrschaftlichen Wohn- und Geschäftshaus

An der Ecke Stadthausstrasse / Oberer Graben (heute: Stadthausstrasse 39) stand von 1650 bis 1858 das Kornmagazin des Oberen Spitals. Das Magazin war an den Wehrturm mit dem Nägelitor angebaut. Turm und Tor zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Zuge der Modernisierung der Stadt abgerissen. Mit dem Abriss der Tore verlor die Stadt nicht nur ihre Wehrtürme und Stadttore, sondern auch ihre Gefängnisse, die sich bis dahin in den verschiedenen Stadttürmen befunden hatten. Von 1835 bis 1836 bauten Fachpersonen im ersten Stock des Kornmagazins sechs Gefängniszellen ein. Diese dienten der Stadt bis 1854 als erstes zentrales Gefängnis. 1855 schrieb die Stadt das Haus bzw. das Grundstück an der Stadthausstrasse 39 aus und verkaufte es 1859 an Jakob Theodor Ziegler-Bühler (18251900), Sohn von Dr. med. Jakob Ziegler (17981882) «zum Egli» und Louise Ziegler (18031883).

Ein Stadtpalazzo im Stil der Neurenaissance

Theodor Ziegler-Bühler, begann seine Laufbahn 1849 in der Rotfarb in Neftenbach. Er liess das alte Kornhaus abreissen und beauftragte den bekannten Zürcher Architekten Leonhard Zeugheer (1812-1866), der bereits das Knabenschulhaus (heute: Kunst Museum Winterthur Rheinhart am Stadtgarten) am Stadtgarten errichtet hatte, mit dem Bau eines Geschäftshauses an der Stadthausstrasse 39. Zeugheer entwarf für Ziegler-Bühler einen markanten Stadtpalazzo im Stil der Neurenaissance. Das Eckhaus erhielt einen rosa-gelblichen Ölanstrich. Im Erdgeschoss baute er eine repräsentative Eingangshalle, die er durch ein monumentales Rundbogentor von der Stadthausstrasse her erschloss. Vom Eingangsbereich gelangte man in den Innenhof mit Brunnen bzw. Pferdetränke, einer Remise und einem Stall für zwei Pferde. Im Erdgeschoss erstellte er Lagerräume, die Ziegler-Bühler für seine Firma Rieter, Ziegler & Cie nutzte. Diese gehörte ihm und seinem Vetter Adolf Rieter-Rothpletz (18171882). Im ersten Stock, einer Art Zwischengeschoss, richtete die Firma ihre die Büroräume ein. Im zweiten Obergeschoss, der Beletage, befanden sich die repräsentativen Wohn- und Gesellschaftsräume, die der Bauherr mit seiner Frau Karoline Bühler (18361905), der Schwester von Eduard Bühler-Egg (18331909), und den vier Söhnen und zwei Töchtern bewohnte. Die Räume bestanden aus einer Aneinanderreihung verschiedenfarbiger Räume mit Wandbespannungen, Papiertapeten, Ornamentik aus Hartstuck, Maserierungen, Marmorierungen, Stukkaturen, Vergoldungen, Parkettböden und Kachelöfen. Es gab ein Vorzimmer, ein Chambre de Madame, ein Chambre à déjeuner, den Grand Salon, ein Boudoir bzw. Petit Salon, ein Salle à manger, ein Office und eine Küche. Im dritten Obergeschoss befanden sich weitere Wohnräume.

Das Haus wechselt die Besitzer

Von 1877 bis 1886 mietete sich die «Schweizerische Unfall-Versicherungs-Gesellschaft Winterthur» (heute: AXA Versicherungs AG) in die Räumlichkeiten ein. 1887 verkaufte Jakob Theodor Ziegler-Bühler das Haus «Warteck» seinem Schwager, dem Kaufmann und Unternehmer Eduard Bühler Egg (18331909). Dieser nutzte das Magazin im Erdgeschoss und die Büroräume im ersten Stock für seine Firma Eduard Bühler & Co., die damals aus einer Spinnerei in Kollbrunn und einer Weberei in Weinfelden bestand. Die oberen Räume vermietete er. Nach seinem Tod 1909 übernahm sein Sohn Heinrich Eduard Bühler-Koller (18621923) die Gesamtleitung der Firma. Das Haus gehörte nun ihm und seiner Schwester Fanny Cornelia Sulzer-Bühler (1865-1948). 1919 traten die Geschwister das Haus an die Kollektivgesellschaft Eduard Bühler & Cie Baumwollspinnerei & Weberei ab. 

Ein Haus zu Repräsentationszwecken

1988 kaufte die Winterthur Versicherung das Haus «Warteck». Im Verwaltungsrat der Versicherung sassen zu dieser Zeit Mitglieder der Familie Bühler. Von 1991 bis 1993 wurde das Haus nach denkmalpflegerischen Gesichtspunkten restauriert, wofür die Winterthur Versicherung die Auszeichnung des Zürcher Heimatschutzes erhielt. Der ursprüngliche rosa-gelbliche Fassadenanstrich wurde wiederhergestellt und die ehemaligen Wohnräume im ersten Stock mit neuen Möbeln im ursprünglichen Stil ausgestattet. Die Originalmöbel waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vorhanden. Die sechs kleinen, aufwendig eingerichteten Säle im Neorokoko-Stil mit venezianischen Kronleuchtern, teuren Louis-XVI-Möbeln, gewebten Tapeten und exklusiven Stuckaturdecken dienten der Versicherung bis 2003 vor allem zu Repräsentationszwecken. 2004 schrieb die Wincasa die Vermietung der Räume aus.


Benutzte und weiterführende Literatur

Keller, Roger: «Winterthur» vermietet ihr Prunkstück. In: Tages-Anzeiger, 1. Oktober 2003.
Pantli, Heinz: «Zum Warteck»: Wo einst der Nägelitürliturm stand. In: Winterthurer Stadtanzeiger, 15. September 2009
Winterthur, Wohn- und Geschäftshaus Warteck. In: Zürcher Denkmalpflege, 13. Bericht 1991-1994. Zürich und Egg, 1998. 

Bibliografie

    Stadthausstrasse 39, Warteck

    • Einträge ab 2011

      Widmer, Urs: Haus zum Warteck, Stadthausstrasse 39. In: Dokumentation Urs Widmer Bauwerke, Häuser und Villen St-Z. 4 S.

      Einträge 1991–2010

      Sanierung: Landbote 1992/267, 1994/53 m.Abb. - 13. Bericht Zürcher Denkmalpflege 1991-1994. Zürich, 1998. S. 388-393 von Hanspeter Rebsamen, m.Abb.
      Verkauf durch "Winterthur"-Versicherung: Tages-Anzeiger 2003/227


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
18.09.2024