Kunst im öffentlichen Raum

Holidi, der Holzmann

Skulptur

Holidi, der Holzriese, lag von 1986 bis 2015 im Graben und war ein beliebtes Kletterobjekt für alle Altersgruppen. Auf dem Friedhof Rosenberg hat der Holzmann seine letzte Ruhestätte gefunden.


Baujahr
1984


Holidi im Atelier von Werner Ignaz Jans bei Riet, 1986
Foto: winbib (Signatur FotDig_2019-0083)

«Holidi» als Messeattraktion

Die Skulptur entstand 1985 durch den Holzbildhauer Werner Ignaz Jans für die geplante Lignum-Ausstellung des Schweizer Verbands für Holzwirtschaft als Auftragsarbeit. Seit den 1970er-Jahren trat der Verband an Ausstellungen auf, beispielsweise an der Mustermesse Basel (Muba) und an der Swissbau. Die Idee, einen Holzriesen als Blickfang zu schaffen, stammt vom Grafiker Göpf Horak.

Im Austausch mit den Auftraggebenden erhielt die Figur schliesslich den Namen «Holidi». Dieser Name ist ein Akronym und steht für: «Homo Lignum Diligens» – «Der Mensch, der das Holz liebt». Werner Ignaz Jans selbst konnte sich mit dieser Bezeichnung nicht wirklich anfreunden. Er nannte seine Figur lieber «Elfmeter», wie es auch seine Kinder taten. Das Motto der Lignum-Ausstellung von 1986 lautete «Holz belebt die Freizeit». Aus diesem Grund wurde «Holidi» als begehbare Messeattraktion konzipiert, auf der Kinder und Erwachsene herumklettern konnten. Im Rahmen der Ausstellung wurde auch das Originalmodell des «Holidi» im Massstab von 1:40 verlost. Danach tourte die Skulptur nach Lausanne und Basel.

Nach dem Messetrubel nahm Werner Ignaz Jans die Skulptur zeitweise wieder in seine Obhut und lagerte sie in einer Scheune bei seinem Wohnort in Riet, bis er sie 1986 anlässlich einer Ausstellung der Kunsthalle im Waaghaus in der Marktgasse wieder der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Der damalige Stadtpräsident und Vorsteher des Kulturdepartements, Urs Widmer, war begeistert von der Figur.

Gut bestückte Kletterfigur

Die Stadt Winterthur «bürgerte» den Holzmann ein und schenkte ihm am oberen Graben eine dauerhafte Bleibe. Nicht alle hatten zu Beginn Freude an dem künstlerischen Neuzugang. Insbesondere die Tatsache, dass die Figur nackt war und das primäre Geschlechtsorgan nicht zu übersehen war, sorgte anfangs für erhitzte Gemüter. In den 1980er-Jahren bürgerte sich in Winterthur der Begriff «Schnäbelimaa» oder «Pimmelmann» ein. Generationen von Kindern hingegen kümmerten sich nicht um solche sittlichen Vorbehalte. Sie nahmen die Figur schon bald in Beschlag, und so etablierte sich der Holzriese, der nun überwiegend «Holzmaa» genannt wurde, als beliebter Treffpunkt.

Dem Zahn der Zeit erlegen

Die Holzskulptur erduldete nicht nur die Kletterabenteuer von tausenden Kindern, sondern war auch über die Jahre ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Dies wurde zum Problem, da immer mehr tiefe Risse im Holz entstanden, die das Klettern gefährlich machten. Im Jahr 2009 liess die Stadt den Holzmann restaurieren, doch der Zerfall konnte damit nicht aufgehalten werden. Werner Ignaz Jans nahm das langsame Dahinsterben seiner Skulptur relativ nüchtern hin. «Jede Person muss mal gehen», liess er sich im Landboten zitieren. Auch die Stadt kam 2013 zum Schluss, dass die Figur nicht zu retten ist, und lancierte eine Ausschreibung für ein Nachfolgeprojekt.

Rettungsbemühungen und Volksinitiative

Einigen Winterthurer:innen fiel der drohende Abschied jedoch wesentlich schwerer. Bald formierte sich Widerstand. Auf Facebook gründete sich die Gruppe «Rettet den Holidi», die schnell über 10'000 Fans hatte.

Gemeinderat Marc Wäckerlin (Piraten) reichte daraufhin eine Interpellation beim Stadtrat ein. Zudem sammelten die Initiant:innen Unterschriften für eine kommunale Initiative. Nach der Prüfung des Initiativtextes beantragte der Stadtrat, die Initiative für ungültig zu erklären. Der Grosse Gemeinderat folgte dem Antrag am 15. März 2015. Damit scheiterten die Rettungsbemühungen endgültig. Im August desselben Jahres sorgte der Holzmann erneut für Schlagzeilen, als sein Phallus zuerst abgetrennt und danach entwendet wurde.  

Letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Rosenberg

Nach der Prüfung mehrerer Standorte beschloss die Stadt Winterthur, den ausgedienten Holzmann auf den Friedhof Rosenberg zu verlegen, wo er ungestört verrotten kann. Am 10. September 2015 wurde «Holidi» unter den Augen vieler Anwesender abtransportiert. Seine letzte Ruhestätte fand er im östlichen Teil des Friedhofs hinter einer Urnenwand. 

An seiner Stelle wurde das Holzkunstwerk «Plaza» errichtet, das bereits den Spitznamen «Zahnbürschteli» erhalten hat. Kletternde Kinder beim oberen Graben gehören damit der Vergangenheit an.


Benutzte und weiterführende Literatur

Gmür, Martin: Pimmelmanns Penis ist weg, in: Landbote, 17.08.2015.
Leutenegger, Marc: Holidi und der öffentliche Geschmack, in: Landbote, 29.07.2013.
Bächtold, Jakob: Rettungsaktion für den Holzmann, in: Landbote, 12.01.2013.
Gmür, Martin: Die Runzeln sind zu tief geworden, in: Landbote, 10.01.2013.
Lignum: Zur neuen Sonderschau der Lignum 1986: Holz belebt die Freiheit, Medienmitteilung, März 1986.

Bibliografie

    Holzskulptur Holidi, Graben

    • Einträge ab 2011

      Eine nicht nachvollziehbare Entscheidung! Der Holzriese im Oberen Graben soll verschwinden. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 23, Jg. 12 (2013). S. 1-2. m.Abb.
      Lehmann, Paul: Holidi: Er muss gehen, weil er fault. In: 8400 Altstadt, Nr. 108, Jg. 33 (2013). S. 7. m. Abb.
      Spiller, Gabriele: Werner Ignaz Jans wird 80. In: Der Landbote , Nr. 36 (2021). S. 9. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      20 Jahre: Tages-Anzeiger 2006/291 1Abb. [Winterthurer Dok.2006/42].
      Landbote 2009/75 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
18.09.2024