KMU und Gewerbe

Keller AG, Ziegeleien (Keller Unternehmungen)

Ziegeleistrasse 7, Pfungen

Die Aktivitäten der Keller Gruppe sind in der Keller Holding AG mit Sitz in Pfungen zusammengefasst. Das heutige Tätigkeitsfeld geht weit über die Produktion und den Vertrieb von Backsteinen hinaus. Die Keller Ziegeleien AG war nicht nur eine der wichtigsten Lieferantinnen von Backsteinen für Winterthur vom 19. bis ins 21. Jahrhundert, sondern auch eine wichtige Arbeitgeberin, da sie eine grosse Ziegelei im Dättnau unterhielt. Diese brannte 2015 vollständig nieder.


Gründungsdatum
1889


Adresse
Keller AG Ziegeleien
Ziegeleistrasse 7
8422 Pfungen

Die Grossziegelei im Dättnau im Jahr 1904 stand zuerst in direkter Konkurrenz zu jener in Pfungen.  Sie war ursprünglich für die Produktion von bis 5 Millionen Ziegel pro Jahr ausgelegt. 
Foto: winbib (Signatur 080910)

Vom Schlossverwalter zum Ziegelbrenner

Der Firmengründer Johann Jakob Keller entstammt aus einer angesehenen Bauersfamilie aus Truttikon. Ab 1857 arbeitete er im Auftrag des Kantons Zürich als Schlossverwalter im Schloss Teufen. 1860 heiratete er Margaretha Toggenburger, mit der er acht Kinder hatte. Weil der zum Schloss gehörende Gutsbetrieb nur wenig Profit abwarf, versuchte der Kanton Zürich diesen bald abzustossen. Johann Jakob Keller trat zuerst als Pächter auf und ersteigerte 1861 zuerst das Landgut und 1875 auch das Schloss. Damit hatte er nun das Recht, den Gutshof zu vergrössern. Um die Familie durchzubringen und neue Einnahmequellen zu erschliessen, betrieb die Hausmutter im Schlossgarten eine kleine Wirtschaft, die bald auch unter Hochzeitsgesellschaften beliebt wurde. Johann Jakob Keller hingegen erkannte das Potenzial der bereits 1831 errichteten Ziegelhütte, die sich ebenfalls auf seinem Grundstück befand, jedoch bis dahin kaum ernsthaft betrieben wurde. Auf seinen Ländereien gab es reichlich Lehmvorkommen und so entschied er sich, Ziegel und keramische Gegenstände brennen zu lassen.

Der späte Aufstieg des Ziegelgewerbes

Obwohl die Schweiz reich an Ton- und Lehmvorkommen ist, war das Ziegeleigewerbe bis ins 19. Jahrhundert kaum relevant. Im Kanton Zürich gab es damals etwa 25 Ziegelhütten. Als Baustoffe dienten überwiegend Holz und Natursteine. Die so gebauten Häuser hatten aber den Nachteil, dass sie in der Regel über ein Stroh- oder Holzdach verfügten. Das machte sie besonders anfällig für Brände, die vor allem in den dicht besiedelten Städten zu den grössten Gefahren zählten. Um Feuersbrünste zu verhüten, erliessen viele Städte Bauvorschriften, die den Bau von Steinhäusern und Ziegeldächern förderten. Durch die gesteigerte Nachfrage entstand um 1860 eine eigentliche Ziegelindustrie. Die mit Dampfkraft angetriebenen Maschinen ermöglichten die serielle Produktion von Ziegelsteinen nach Mass. Die kleine Handziegelei von Keller gehörte damals noch nicht dazu, sie produzierte primär für den lokalen Markt.   

Winterthurs Hunger nach Ziegel

Etwa 15 Kilometer von der kleinen Keller-Ziegelhütte entfernt, erlebte Winterthur dank der aufstrebenden Industrie gerade einen Bauboom und benötigte grosse Mengen an Baustoffen. Johann Jakob Keller erkannte seine Chance und erwarb im Dorf Dättlikon eine bestehende Handziegelei. Diese erwies sich aber als unrentabel und wurde 1876 wieder aufgegeben. Keller verlagerte sein Unternehmen in die benachbarte Gemeinde Neftenbach. Dort liess er eine erste mechanische Ziegelei erstellen. Doch auch dieser Standort befriedigte den Fabrikanten nicht, denn es fehlte an einem direkten Eisenbahnanschluss. So expandiert er 1878 nach Pfungen. Mit seinen drei Ziegeleifabriken etabliert sich Jakob Keller bald als führender Ziegeleifabrikant im Kanton Zürich und belieferte auch die Stadt Winterthur fleissig.

Nicht so einfach gestaltete sich damals die Arbeiterrekrutierung. Viele Einheimischen zogen die körperlich weniger anstrengende Arbeit in der Maschinenindustrie oder der Rotfärberei vor. Daher stammten die meisten Ziegeleimitarbeitende der Firma Keller aus Süddeutschland. Sie stellten ihre Kenntnisse als Saisonniers zur Verfügung und verbrachten den Winter jeweils wieder in der Heimat. Manche siedeln sich danach auch in Pfungen an.

Ziegelei im Dättnau als Protestnote

In den 1880er-Jahren stieg der älteste Sohn Jakob Ulrich Keller allmählich in das Unternehmen ein. Zuerst führte er das Werk in Pfungen und baute es weiter aus. Jakob Ulrich Keller plante in Pfungen seine Zukunft zu verbringen und liess durch den Winterthurer Architekten Ernst Jung in der Nähe der Fabrik eine Backsteinvilla erbauen. Unmittelbar danach kam es aber zu einer Verwerfung, weil der Vater das gesamte Unternehmen in eine Familien-Aktiengesellschaft umwandeln wollte. Jakob Ulrich Keller war damit nicht einverstanden und kaufte 1895 im Alleingang die Handziegelei Dättnau und verliess damit Pfungen ohne seine frisch errichtete Villa je bezogen zu haben. Er baute den Standort Dättnau zu einer mechanischen Ziegelei aus, und stand damit nun in direkter Konkurrenz zum Familienbetrieb seines Vaters.

Die Ziegelei Dättnau war auf eine Produktionsmenge von 5 Millionen Ziegel pro Jahr ausgelegt. Den dafür benötigten Lehm gewann die Fabrik aus dem Dättnauer Weiher. Viele der seit 1896 dort produzierten Ziegel wurden danach sogleich in der Gemeinde Töss verbaut, wo zu jener Zeit mehrere neue Häuserzeilen entstanden und auch das Schulhaus Eichliacker.

Die verhängnisvolle «Ziegelei-Epidemie»

Bis in die Mitte der 1890er-Jahre liefen die verschiedenen Schweizer Ziegeleifabriken auf Hochtouren. Durch den steten Ausbau der Eisenbahninfrastruktur konnten sie zudem auch entferntere Absatzgebiete erschliessen. Damit kamen sich die einzelnen Fabriken aber auch immer mehr in die Quere. Schliesslich kommt es auf dem Immobilienmarkt zur Überhitzung und die Spekulationsblase platzt. Danach vergeben die Banken kaum noch Immobilienkredite und so brach die Nachfrage nach Baustoffen abrupt ein. Die Ziegeleien können darauf aber nicht sofort reagieren, weil die bereits mit Kohle bestückten Ringöfen erst ausbrennen mussten. So häuften die Ziegeleien grosse Lagerbestände an, die sie mit Hilfe von massiven Preissenkungen versuchten abzubauen. In der Not begannen sich die konkurrierenden Ziegeleien gar zu unterbieten was viele von ihnen in den finanziellen Ruin trieb.

Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

1903 trat Jakob Ulrich Keller wieder in das Familienunternehmen ein. Kurze zeit später wird die Kollektivgesellschaft «Keller&Cie.» gegründet, deren Hauptsitz sich an der Wartstrasse 1 in Winterthur befand. Das Unternehmen besitzt damit vier Werke mit etwa 200 Mitarbeitenden und ist in der Lage bis zu 20 Millionen Ziegel herzustellen. Die Produktpalette reicht von Backsteinen über Dachziegeln bis hin zu Bodenplatten, Gartenbalustraden, Drainageröhren und Elektrokabelkanäle.

Um den ruinösen Preiskampf zu beenden, schlossen sich die Ziegeleifabrikanten aus der Ostschweiz im Jahr 1902 zu einer Genossenschaft zusammen und trafen Preis- sowie Verkaufsabsprachen. Die Entwicklung solcher Kartelle waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Schweiz brancheübergreifend keine Seltenheit und es handelte sich um eine Wirtschaftstradition, die weit bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestand hatte.

Zwischen Konkurrenzkampf und Zweckbündnissen

Unter der Führung von Jakob Ulrich Keller entwickelte sich das Unternehmen zur zweitgrössten Ziegeleifabrik der Schweiz. Bei weitem übertroffen wurde sie aber von der Zürcher Ziegeleien. Die beiden Ziegeleien waren damit die härtesten Konkurrenten aber gleichzeitig eben auch die wichtigsten Stimmen im Kartell. Es handelte sich somit um eine spannungsvolle Beziehung. Um sich nicht die ganze Zeit in die Quere zu kommen und sich gegenseitig Aufträge abzujagen, teilten die beiden Unternehmen 1935 ihre Verkaufsgebiete untereinander auf. Nur ein Jahr später erlitt Jakob Ulrich Keller einen Hirnschlag. Obwohl er sich davon erholte, zog er sich in der Folge langsam aus der Geschäftstätigkeit zurück und übergab das Steuerruder an seine Söhne Hans und Franz Keller.

Beton wird zum Baustoff der Moderne

In der Nachkriegszeit erlebte die Schweiz einen erneuten Bauboom. Dabei wurde jedoch der Ziegelstein vom Beton als beliebtester Baustoff abgelöst. Keller setzt in dieser herausfordernden Zeit vermehrt auf Innovation und technologischen Fortschritt. Seine grosse Vision war die Errichtung von Backsteinhochhäusern. Umgesetzt wurden sie später in Basel, Zürich-Schwamendingen und Luzern. Ebenfalls beteiligte sich Keller massgeblich an der Entwicklung des Grossformatsteins B 25, womit das Preisleistungsverhältnis im Bau verbessert werden konnte.

1961 erfolgte die Gründung der Keller Holding AG mit Hauptsitz in Pfungen. Sie vereint unter sich die sechs als Aktiengesellschaften organisierten Ziegeleien in Pfungen, Dättnau, Paradies, Frick, Kölliken und Basadingen.

Vorfabrizierte Ziegelsteine

In den 1960er-Jahre machte sich der Bauunternehmer Ernst Göhner schweizweit einen Namen und veränderte die Baubranche nachhaltig. Sein Erfolgsrezept waren pfannenfertige Siedlungen, die dank vorfabrizierten Bauelementen schnell realisiert werden konnten. Durch die Rationalisierung konnte er vor allem die Baukosten tiefhalten. Baustoff der Wahl waren auch hier gegossene Betonelemente. Inspiriert von diesem Gedanken, entwickelten die Keller Ziegeleien als erste Firma in der Schweiz ein Verfahren zur Herstellung von backsteinernen Fertigmauern. 1964 gründeten Franz und Peter Keller die Preton AG. Die vorfabrizierten Preton-Wandelemente werden bald in Kasernen, Landwirtschaftlichen Betrieben, Wohnhäusern und Industriegebäude verbaut. Zu den bekanntesten Kunden in Winterthur zählte 1967 die Brauerei Haldengut, deren Aussenfassaden mit geschliffenen Tonplatten versehen wurden.

Der Rote Turm und die Archhöfe

In den 1980er-Jahren sorgen Architekten wie Mario Botta oder Aldo Rossi dafür, dass der Sichtbackstein ein Revival erlebte. 1998 erhält die Stadt Winterthur ein neues Wahrzeichen und zwar mit dem Bau des 90 Meter hohen Roten Turms. Die Aussenfassade besteht hauptsächlich aus Preton-Klinkerelementen, die insgesamt 380'000 Klinkersteine enthalten. Ein weiteres bekanntes Gebäude in Winterthur, dass Elemente der Keller-Ziegeleien trägt sin die Archhöfe.

Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich derweil. Gleichzeitig trat 1996 das neue Kartellgesetz in Kraft. Seither sind direkte und indirekte Preisabsprachen verboten. Damit muss sich die gesamte Branche neu ausrichten. Auch Keller muss über die Bücher und so wird 1997 zuerst das Werk in Erzingen geschlossen und im Jahr 2000 auch die Produktion von Dachziegeln im Hauptwerk in Pfungen eingestellt.

Aus ehemaligen Ziegeleien werden Wohnquartiere

In den 2000er-Jahren wird der Bereich Immobilien immer wichtiger. So erfuhr das alte Ziegeleiareal in Pfungen eine Neugestaltung als Wohnquartier. Die Keller-Tochterfirma Prefadom wirkte dabei als Generalunternehmen.  2015 brannte im Dättnau die gesamte denkmalgeschützte Ziegeleianlage ab. Danach errichtete die Keller AG dort ein neues Wohnquartier inklusive Migros-Filiale und hatte damit einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung des Quartiers.


Benutzte und weiterführende Literatur:

Ruetz, Bernhard: Vom Stein zum Haus. Die Geschichte der Keller Ziegeleien, Humlikon 2019.
Hirsekorn, Till: Endlich ein Laden für Dättnau und Steig, in: Der Landbote, 08.03.2017.
Appelt, Dagmar: Ziegelstein um Ziegelstein aufgeschichtet, in: Der Landbote, 06.06.2016.
mgm: Ein faszinierender Einblick ins Innere der alten abgebrannten Ziegelei Dättnau, in: Der Landbote, 20.07.2015.
Hoster, Alex: Billiger Baustoff aus dem Dättnau für die Backsteinhäuesrzeilen Winterthurs, in: Der Landbote, 01.11.2014.
Keller AG Ziegeleien: 100 Jahre Keller AG Ziegeleien in Pfungen, Pfungen 1989.
Keller AG Ziegeleien: Katalog unserer Bedachungs-Materialien : Keller & Co. Pfungen, Dachziegelwerk Frick, Ziegelei Paradies, Jahresproduktion: 50 000 000, Schaffhausen 1934.

Bibliografie

    Keller Ziegeleien

    • Einträge ab 2011

      Speiser, Regina: Vom Stein zum Haus. Ein Buch über die Geschichte der Keller Ziegeleien. In: Euses Blättli, Nr. 130 (2019). S. 20-21. m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
08.05.2024