Burgen, Schlösser und Stadtbefestigung

Oberer Bogen

Winterthurer Stadtbefestigung

Der Obere Bogen war Teil der ursprünglichen Stadtbefestigung. Bis zum Bau des Obertors diente er als Osttor der Stadt und lag an der Hauptverkehrsachse von Zürich über Frauenfeld und St. Gallen bis zum Bodensee. Im Oberen Bogen traf sich die Oberstuben-Zunft zu ihren Versammlungen und pflegte die Geselligkeit. 1871 riss man den Oberen Bogen ab.


Baujahr
12. Jahrhundert

Abbruch
1871


Oberer Bogen vor 1871.
Foto: winbib, Hans Konrad Lichti (Signatur: BildFol_002-038)

Das Grabentor

Der Obere Bogen wurde im 12. Jahrhundert als Teil der ursprünglichen Befestigungsanlage im Osten der Stadt erbaut. Vor der Befestigung der Vorstädte und bis zum Bau des Obertors 1340 war er das Haupttor im Osten der Stadt und lag auf einer Hauptverkehrsachse. Der gesamte Güterverkehr von Zürich in Richtung Osten führte über Winterthur und zwar vom Untertor über die Marktgasse zum Oberen Bogen und dann weiter über Frauenfeld und St. Gallen bis zum Bodensee. Neben dem Oberen Bogen gab es im Westen den Unteren Bogen, im Süden das Steigtor und im Norden das Schmditor. Die vier Tore verbanden die Stadt, die im 12. Jahrhundert den quadratischen Raum zwischen Neumarkt, Technikumsstrasse, Unteren Graben und Stadthausstrasse umfasste, mit der Aussenwelt. Der Obere und der Untere Bogen lagen im 12. Jahrhundert an den Stadtgräben. Sie wurden aus diesem Grund auch Tore am Graben oder Grabentore genannt. Vor den beiden Gräben im Osten und Westen der Stadt entstanden im 13. Jahrhundert neue Siedlungen. 1264 wird im Stadtrechtsprivileg erstmals eine östliche Vorstadt erwähnt. Die Neustadt, die an die Kernstadt anschloss, wurde im 13. Jahrhundert ebenfalls mit Wall und Graben befestigt. In einer zweiten Phase um 1300 oder im 14. Jahrhundert entstand dann um die Neustadt eine erste Stadtmauer und 1340 wurde das Obertor gebaut. Der Obere Bogen lag nun innerhalb der Stadtmauern und wurde in seiner Funktion als Stadttor durch das Obertor ersetzt.

Vom Stadttor zur Zunftsstube

Obwohl der Obere Bogen seine ursprüngliche Funktion als Stadtpforte verloren hat, bleibt er bestehen und wird von der Oberstuben-Zunft als Zunfthaus genutzt. Die Oberstuben-Zunft, die grösste Zunft in Winterthur, umfasst ledige Gesellen verschiedener Handwerksberufe. Neben den Glasern, Goldschmieden, Hafnern, Malern, Messerschmieden, Schlossern, Tischmachern und Uhrmachern sind auch Zimmerleute und Zinngiesser Mitglieder der Oberstuben-Zunft. Eine eigene Zunft haben hingegen die Schuhmacher, Gerber, Schneider, Weber und Rebleute. Im Oberen Bogen hält die Oberstuben-Zunft ihre Versammlungen ab und pflegt die Geselligkeit.

Glocken- und Uhrturm

Um 1500 wurde der hohe Turm abgetragen. 1564 setzte die Oberstuben Zunft dem zweigeschossigen Bau ein Türmchen mit einer Uhr von Erhard Liechti auf. Von da an wurde der Obere Bogen auch Oberes Zeit genannt. Der Obere Bogen zählt aus gesellschaftlicher und städtebaulicher Sicht zu den bedeutendsten Baudenkmälern der Stadt Winterthur im 16. Jahrhundert. Neben seiner Bedeutung als Zunfthaus zeichnet sich das Bauwerk insbesondere durch seinen Treppengiebel mit Uhrzifferblatt, das offene Glockentürmchen und die zahlreichen gotischen Staffel-Fenster aus.

Wagen- und Fussgängerverkehr

Unterhalb des geräumigen Zunfthauses bauten Handwerker 1676 vier Läden an, die 1806 erneuert wurden. In der Mitte befand sich die Durchfahrt für den Fuhrwerksverkehr, die durch einen Spitzbogen gekennzeichnet war. 1854 entfernten die Verantwortlichen die Läden und schufen seitlich zwei Fussgängerdurchgänge. Der obere Bogen war nördlich an die alte Stadtkanzlei angebaut. Diese war ursprünglich im Besitz des Rittergeschlechts von Hinwil. Der letzte Angehörige des Geschlechts, Hans Ulrich von Hinwil (1540–1588), verkaufte das Gebäude am Unteren Graben 35 an die Stadt.  Um 1655 verlegte die Stadt die "Stadtschreiberei" und das Archiv dahin. Später befand sich von 1905 bis 1950 die Postfiliale «Graben» im Gebäude und von 1950 bis 1952 erfolgte der Umbau des Hauses zur Rathausapotheke. Südlich an den Bogen angebaut befanden sich weitere Räume der Oberstubenzunft, die 1871 abgerissen wurden. Von 1948 bis in die 1990er Jahre befand sich im Haus am Unteren Graben 33 das Café im Silbernen Winkel.

Abbruch des Oberen Bogens

 Im Zuge der Gleichstellung von Stadt und Land – eine Folge der Französischen Revolution und der napoleonischen Besetzung – begannen in Winterthur fortschrittliche, liberale Kräfte, die Stadt zu modernisieren und Handelsbarrieren abzubauen. Sie betrachteten die Tore nicht nur als Verkehrshindernis, sondern auch als kostspielig. Unter ihrem Einfluss beschloss die Gemeinde 1835, die Gräben zuzuschütten und die Tore, mit Ausnahme der Tore und Bögen der Hauptgasse, abzureissen. Damit sollte die Verbindung zwischen Stadt und Land verbessert werden. Rund um die Stadt sollten neue Promenaden, Strassen und Trottoirs angelegt sowie die Bebauung der Stadt ausgeweitet werden. 1864 wurde der Abbruch des Obertors beschlossen, und 1870 folgte der Entscheid zum Abbruch des Oberen Bogens. Neben Jakob Forrer widersetzte sich auch Stadtbaumeister Wilhelm Friedrich Carl Bareis (1819–1885) dem Abriss Nachdem 1871 der Obere Bogen abgerissen worden war, wurde die Turmuhr der katholischen Kirchgemeinde St. Peter und Paul überlassen, die sie bis 1903 weiter nutzte. Die Zunft zu Oberstube löste sich 1936 auf.


Benutzte und weiterführende Literatur

Dejung, Emanuel; Zürcher Richard, Hans Hoffmann: Die Stadt Winterthur und die Stadt Zürich. Kunstgeschichtliche Zusammenfassung. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band 6, Basel,1952.
Isler, A.: Die Festung Winterthur und ihre Schleifung. 254. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Winterthur, 1920.
Moos von, Paul: Mein Winterthur: heimatkundliches Lesebüchlein. Winterthur, 1950. 
Sulzer, Peter: Tore, Türme, Bögen im alten Winterthur. Verschwundene Zeugen der Vergangenheit. Mit einer Einleitung und Bildlegenden von Peter Sulzer. Gemsberg, Winterthur, 1985.
Windler, Renata: «Vitudurum» und «Winterture» - von den Anfängen bis zur Stadt um 1300. In: Winterthurer Stadtgeschichte. Von den Anfängen bis 1850. Zwischen Rot und Blau – Habsburg – Zürich oder Autonomie. Bd. 1. Chronos, 2014. 

Bibliografie


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
23.09.2024