Burgen, Schlösser und Stadtbefestigung

Oberer Bogen

Winterthurer Stadtbefestigung

Der Obere Bogen gehörte zur ursprünglichen Befestigungsanlage der Stadt. Er war bis zum Bau des Obertors das Osttor der Stadt und befand sich auf der Hauptverkehrsachse, die von Zürich nach Frauenfeld und St. Gallen bis zum Bodensee führte. Im Oberen Bogen traf sich die Oberstuben Zunft für ihre Versammlungen und frönten der Geselligkeit. 1871 wurde der Obere Bogen abgerissen.


Baujahr
12. Jahrhundert

Abbruch
1871


Der Oberer Bogen (Zeitbogen) am Unterer Graben um 1860, Blick in die Marktgasse Foto: winbib (Signatur: 020433)

Das Grabentor

Der Obere Bogen wurde im 12. Jahrhundert als Teil der ursprünglichen Befestigungsanlage im Osten der Stadt erbaut. Er war vor der Befestigung der Vorstädte und bis zum Bau des Obertors 1340 das Haupttor im Osten der Stadt und lag auf einer Hauptverkehrsachse. Der gesamte Güterverkehr von Zürich in Richtung Osten führte über Winterthur und zwar vom Untertor über die Marktgasse zum Oberen Bogen und dann weiter über Frauenfeld und St. Gallen bis zum Bodensee. Neben dem Oberen Bogen waren im Westen der Untere Bogen, im Süden das Steigtor und im Norden das Schmditor. Die vier Tore verband die Stadt, die im 12. Jahrhundert den quadratischen Raum zwischen Neumarkt, Technikumsstrasse, Unteren Graben und Stadthausstrasse umfasste, mit der Aussenwelt. Der Obere und der Untere Bogen lagen im 12. Jahrhundert an den Stadtgräben. Sie wurden aus diesem Grund auch Tore am Graben oder Grabentore genannt. Vor den beiden Gräben im Osten und Westen der Stadt entstanden im 13. Jahrhundert neue Siedlungen. 1264 wird im Stadtrechtsprivileg erstmals eine östliche Vorstadt erwähnt. Die Neustadt, die an die Kernstadt anschloss, wurde im 13. Jahrhundert ebenfalls mit Wall und Graben befestigt. In einer zweiten Phase um 1300 oder im 14. Jahrhundert entstand dann um die Neustadt eine erste Stadtmauer und 1340 wurde das Obertor gebaut. Der Obere Bogen lag nun innerhalb der Stadtmauern und wurden in seiner Funktion als Stadttor durch das Obertor ersetzt.

Vom Stadttor zur Zunftsstube

Obwohl der Obere Bogen seine ursprüngliche Funktion als Stadtpforte verloren hatte, blieb er weiterhin bestehen und wurde fortan von der Oberstuben Zunft als Zunfthaus genutzt. Der Oberstuben Zunft, der grössten Winterthurer Zunft, gehörten die ledigen Gesellen verschiedener Handwerksberufe an. Neben den Glasern, den Goldschmieden, der Hafner, der Maler, der Messerschmiede, der Schlosser, der Tischmacher und der Uhrmacher waren auch Zimmerleute und die Zinngiesser Mitglied der Oberstuben Zunft. Eine eigene Zunft hatten hingegen die Schuhmacher, die Gerber, die Schneider, die Weber und die Rebleute. Im Oberen Bogen hielt die Oberstuben Zunft ihre Versammlungen ab und frönten der Geselligkeit.

Glocken- und Uhrturm

Um 1500 wurde der hohe Turm abgetragen und es wurde auf Kosten der Oberstuben Zunft dem zweigeschossigen Bau 1564 ein Türmchen mit einer Uhr von Erhard Liechti aufgesetzt. Von da an wurde der Obere Bogen auch Oberes Zeit genannt. Der Obere Bogen zählt aus gesellschaftlicher und städtebaulicher Sicht zu den hervorragendsten Baudenkmälern der Stadt Winterthur im 16. Jahrhundert. Neben seiner Bedeutung als Zunfthaus zeichnete sich das Bauwerk insbesondere durch seinen Treppengiebel mit Uhrziffernblatt und offenem Glockentürmchen und durch die zahlreichen gotischen Staffelfenstern aus.

Wagen- und Fussgängerverkehr

Unterhalb des geräumigen Zunfthauses wurden 1676 vier Läden angebaut, die 1806 erneuert wurden. In der Mitte befand sich die Durchfahrt für den Fuhrwerksverkehr, die sich durch einen Spitzbogen auszeichnete. 1854 wurden die Läden wieder entfernt und dafür seitlich zwei Fussgängerdurchgänge geschaffen. Der Obere Bogen war nördlich an die Alte Stadtkanzlei angebaut. Diese war ursprünglich im Besitz des Rittergeschlechts von Hinwil. Der Letze des Geschlechts, Hans Ulrich von Hinwil (1540-1588), verkaufte das Gebäude am Unteren Graben 35 der Stadt. Um 1655 verlegte die Stadt die "Stadtschreiberei" und das Archiv dahin. Später befand sich von 1905 bis 1950 die Postfiliale «Graben» im Gebäude und von 1950 bis 1952 erfolgte der Umbau des Hauses zur Rathausapotheke. Südlich an den Bogen angebaut befanden sich weitere Räume der Oberstubenzunft, die 1871 abgerissen wurden. Von 1948 bis in die 1990er Jahre befand sich im Haus am Unteren Graben 33 das Café im Silbernen Winkel.

Abbruch des Oberen Bogens

Im Zuge der Gleichstellung von Stadt und Land - eine Folge der französischen Revolution und der napoleonischen Besetzung - begannen in Winterthur progressiv liberale Kräfte die Modernisierung der Stadt voranzutreiben und Handelschranken abzubauen. Für sie stellten die Tore nicht nur ein Hemmnis des Verkehrs dar, vielmehr waren sie der Ansicht, dass diese viel zuviel Kosten verursachen würden. Unter ihrer Einwirkung beschloss die Gemeinde 1835 die Gräben zuzuschütten und die Tore mit Ausnahme der Tore und Bögen der Hauptgasse abzureissen. Damit sollte die Verbindung zwischen Stadt und Land verbessert werden. Rund um die Stadt sollten neue Promenaden, Strassen und Trottoirs angelegt und die Bebauung der Stadt ausgedehnt werden. 1864 wurden  der Abbruch des Obertors beschlossen und 1870 folgte der Entscheid zum Abbruch des Oberen Bogens. Neben Jakob Forrer lehnte sich auch Stadtbaumeister Wilhelm Friedrich Carl Bareis (1819-1885) gegen den Abriss auf. Nachdem 1871 der Obere Bogen abgerissen worden war, wurde die Turmuhr der katholischen Kirchgemeinde St. Peter und Paul überlassen, die sie bis 1903 weiter nutzte. Die Zunft zu Oberstube löste sich 1936 auf.


Benutzte und weiterführende Literatur

Dejung, Emanuel; Zürcher Richard, Hans Hoffmann: Die Stadt Winterthur und die Stadt Zürich. Kunstgeschichtliche Zusammenfassung. Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Band 6, Basel,1952.
Isler, A.: Die Festung Winterthur und ihre Schleifung. 254. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur, Winterthur, 1920.
Moos von, Paul: Mein Winterthur: heimatkundliches Lesebüchlein. Winterthur, 1950. 
Sulzer, Peter: Tore, Türme, Bögen im alten Winterthur. Verschwundene Zeugen der Vergangenheit. Mit einer Einleitung und Bildlegenden von Peter Sulzer. Gemsberg, Winterthur, 1985.
Windler, Renata: «Vitudurum» und «Winterture» - von den Anfängen bis zur Stadt um 1300. In: Winterthurer Stadtgeschichte. Von den Anfängen bis 1850. Zwischen Rot und Blau – Habsburg – Zürich oder Autonomie. Bd. 1. Chronos, 2014. 

Bibliografie


Autor/In:
Karin Briner
Letzte
Bearbeitung:
05.06.2023