Anlässe, Brauchtum und Feste

Weihnachtsbeleuchtung

Altstadt

Die Weihnachtsbeleuchtung in der Marktgasse in Winterthur gehört zu den schönsten in der Schweiz. Sie stammt aus dem Jahr 1965. Alle Weihnachtsbeleuchtungen in der Altstadt werden von den jeweiligen Gassenvereinigungen selbst finanziert.


Baujahr
1965

Gründungsdatum
31.12.1965


Die erste Weihnachtsbeleuchtung in den Winterthurer Geschäftsgassen erstrahlte am Untertor im Jahr 1954.
Foto: winbib (Signatur Untertor 30_07)

Weihnachten lässt die Kassen klingeln

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Schweizer Wirtschaft einen spürbaren Aufschwung, der die Konsumlust anheizte. Auch die Untertor-Vereinigung, die sich nach dem Krieg von einem Quartierverein zu einer Gewerbevereinigung entwickelt hatte, wollte davon profitieren. Ihre Ziele konzentrierten sich vor allem auf geschäftsfördernde Massnahmen. Bereits 1951 richtete sich der Blick der Vereinigung auf die Vorweihnachtszeit, und sie lancierte das Gemeinschaftsprojekt „Das Glückstor in Winterthur“. Dazu liess sie in allen Haushalten ein Gratislos verteilen und verschenkte als Hauptgewinn eine komplette Schlafzimmereinrichtung aus Nussbaum im Wert von 2500 Franken.

Im Jahr 1954 initiierte und finanzierte die Untertor-Vereinigung die erste Weihnachtsgassenbeleuchtung in Winterthur. Mit einer Investition von 14'500 Franken liess sich die Vereinigung den Weihnachtsschmuck ordentlich etwas kosten. Die Stadt zeigte sich wohlwollend und erhob lediglich eine geringe Gebühr von fünf Franken. Zusätzlich beteiligte sie sich jährlich mit einer kleinen Entschädigung von 300 Franken an den Kosten.

Wettrüsten bei den Lichterketten

Diese erste Weihnachtsbeleuchtung bestand aus zwei Lichterketten, die über die Gasse gespannt waren und ein Rautenmuster bildeten. In der Mitte hing ein einzelner, schweifloser Stern. Die Beleuchtung erstreckte sich vom Bahnhofplatz bis zur Casinostrasse und endete mit einem leuchtenden Untertörchen. Mit dieser Beleuchtung gingen verschiedene Werbeaktionen und Wettbewerbe in der Vorweihnachtszeit einher.

Die Geschäfte an der Marktgasse, dem Obertor und der Obergasse hatten das Nachsehen, denn sie verschwanden hinter der Lichterpracht des Untertors. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, gründete sich 1965 ein Komitee für eine Weihnachtsbeleuchtung von Marktgasse, Obertor und Obergasse. Ihr Ziel war es, mit einer gemeinsamen Beleuchtung ein Gegengewicht zum Untertor zu schaffen. Als Vorlage diente ihnen die Weihnachtsbeleuchtung des Schuhgeschäfts Peterhans, das einen Stern mit vierfachem Schweif präsentierte. Dieses Motiv wurde nun abwechselnd auf der linken und rechten Seite des Strassenzugs angebracht. Die grossen Warenhäuser Rothaus und ABM verzichteten darauf, eigene Beleuchtungen zu installieren, um das Gesamtbild nicht zu stören.

Die Stadt genehmigte 31 Sterne mit vierfachem Schweif, die der Seemer Unternehmer Eduard Steiner produzierte. Statt über der traditionellen Krippe leuchtete nun der Stern von Bethlehem über den einzelnen Geschäften. Etwa 100'000 Franken investierten sie in die neue Beleuchtung, die nun jene beim  Untertor übertraf.

Lichterlöschen während Energiekrisen

Ab 1968 schloss sich die Untertor-Vereinigung der neuen Sternenkette an. So entstand die Weihnachtsbeleuchtung, die bis heute im Einsatz ist. Mit der zunehmenden geopolitischen Unsicherheit und der Erdölkrise im Jahr 1973 änderte sich jedoch die Situation. Als sich die Sicherheit der Stromversorgung verschlechterte, gerieten die Weihnachtsbeleuchtungen überall in der Schweiz als Stromfresser in die Kritik. Einige Gruppierungen forderten ihre Abschaltung - so auch in Winterthur. 

Zunächst reagierte man auf diese Forderungen zurückhaltend, indem man lediglich die Leuchtdauer verkürzte. Doch 1974 sah sich die Junge Altstadt gezwungen, gemeinsam mit den Quartiervereinen und den Städtischen Werken zu beschliessen, die Weihnachtsbeleuchtung in der Marktgasse komplett abzuschalten. Dieser Verzicht blieb einige Jahre bestehen.

Erst 1979 meldeten die städtischen Elektrizitätswerke eine hervorragende Versorgungslage dank überdurchschnittlich gefüllter Stauseen. Daraufhin durfte die Weihnachtsbeleuchtung wieder erstrahlen, wobei die Einschaltzeiten auf ein Minimum reduziert wurden. Dennoch flammte die Kritik am Stromverbrauch auch in den Folgejahren immer wieder auf. Als die Schweiz 2022 wieder eine Strommangellage befürchtete, entschied sich die Junge Altstadt, ihre Weihnachtsbeleuchtung nur eingeschränkt einzuschalten.

Revidieren, Abhängen oder Neumachen?

Im Jahr 2003 feierte die Weihnachtsbeleuchtung in Winterthur ihren 38. Geburtstag. Der Zahn der Zeit hatte Spuren an der Lichterkette hinterlassen, und es musste über die Zukunft nachgedacht werden. Sollte die Weihnachtsbeleuchtung umfassend revidiert oder gar ersetzt werden? Der Entscheid fiel schliesslich zugunsten der traditionellen Weihnachtsbeleuchtung. Diese erfreute sich in Winterthur immer noch grosser Beliebtheit, und eine Neuanschaffung wäre teuer geworden. Nicht weniger als eine halbe Million Franken wären dafür fällig geworden. Der Verein Junge Altstadt, der die Weihnachtsbeleuchtung mittlerweile koordinierte, entschied sich deshalb für eine Revision mit Kosten in der Höhe von 50'000 Franken.

Mit einer gewissen Genugtuung für ihren Entscheid blickte Winterthur auch nach Zürich, wo im Jahr 2009 die neue Weihnachtsbeleuchtung «Lucy» in Betrieb genommen wurde. Diese rief gemischte Reaktionen hervor. Die Winterthurer Zeitung nahm die Beleuchtung 2009 sogar zum Anlass für einen 1. Aprilscherz und verbreitete die Meldung, dass ein Teil von «Lucy» nach Winterthur «vererbt» werde, um die Meinung der Lokalbevölkerung einzuholen.

Die schönste Weihnachtsbeleuchtung der Schweiz

Im Jahr 2010 kompensierten die Geschäftsbetreibenden den Stromverbrauch mit einer Spende an Myclimate. Damit erstrahlte das Licht erstmals CO2-neutral. Im Jahr 2014 suchte die Gratiszeitung 20 Minuten nach der schönsten Weihnachtsbeleuchtung der Schweiz. Rund 280'000 Leser:innen beteiligten sich an der Umfrage und kürten Winterthur zur Siegerin. Zum 50-jährigen Bestehen der Weihnachtsbeleuchtung spendierte die Junge Altstadt kurz nach der Kür neue LED-Leuchtmittel, wodurch der Stromverbrauch weiter reduziert werden konnte.

Den grössten Teil der bis heute anfallenden Unterhaltskosten macht jedoch nicht die Stromrechnung, sondern die Montage und Pflege der Beleuchtung aus. Diese wird traditionell von der Tösstaler Firma Eduard Steiner AG vorgenommen, welche die Sterne auch jeweils das Jahr über lagert. Während in den Anfangszeiten die Montage noch mit einer Feuerwehrleiter erfolgte, steht heute eine Hebebühne im Einsatz. Dennoch ist die Montage mitten in der belebten Marktgasse und teilweise bei eisigen Temperaturen eine Herausforderung. Wer möchte, kann die Junge Altstadt mit einer Sternenpatenschaft unterstützen.

Zahlen und Fakten

Am 15. November 2024 schaltete die Stadt die Weihnachtsbeleuchtung zum 70. Mal ein. Zur Feier dieses Anlasses veranstaltete die Junge Altstadt einen Geschichtenwettbewerb. Die drei Sieger:innen durften den Schalter umlegen. Weil viele Personen immer wieder nach bestimmten Zahlen und Fakten fragen, hat die Junge Altstadt diese zusammengetragen: Die Weihnachtsbeleuchtung umfasst 77 Sterne mit Schweif, die aus Polyester und Metall bestehen. Zusammen bringt die Weihnachtsbeleuchtung rund zwei Tonnen auf die Waage. Ein einzelner Stern wiegt etwa 12 Kilogramm. Für den Transport sind jeweils sieben Lieferwagenfahrten mit Sternenanhänger nötig, und die Montage dauert im Schnitt fünf Tage. Dabei sind vier bis fünf Mitarbeitende beschäftigt. Insgesamt verlegen sie 3'400 Meter Kabel, die 11'300 Lämpchen zum Erstrahlen bringen. 

Die Stadt eröffnet die Weihnachtsbeleuchtung jeweils Mitte November mit einem Light-Shopping. Sie leuchtet bis zum 6. Januar. 

Weitere Weihnachtsbeleuchtungen

Nicht nur die Marktgasse ist zur Adventszeit erleuchtet. In der Steinberggasse und der Metzggasse betreibt die Gassenvereinigung eine eigene Beleuchtung, und auch die IG Graben finanziert ihre Sterne selbst. Alle arbeiten ebenfalls mit der Eduard Steiner AG zusammen. Tradition hat auch der Tannenbaum beim Wintower


Benutzte und weiterführende Literatur

Saloma, Annette: Weihnachtsbeleuchtung Winterthur: Diesen Freitag beginnt in der Altstadt der Advent, in: Der Landbote, 14.11.2024.
Stauffer, Menoa: Weihnachtsbeleuchtung in Winterthur: Stromsparen war letztes Jahr, in: Der Landbote, 17.11.2023.
Rohner, Rafael: 100 Jahre Eduard Steiner AG: Die Firma, die mit Helikopter Stromleitungen baut, in: Der Landbote, 11.10.2023.
Portmann, Sandro: Reduzierte Beleuchtung, in: Winterthurer Zeitung, 17.11.2022.
Felix, Christian: Winterthurs erste Weihnachtsbeleuchtung, in: Winterthurer Zeitung, 09.12.2021.
Hoster, Alex: Wie den Winterthurern die Lichter aufgingen, in: Der Landbote, 21.11.2019
Felix, Christian: Er bringt die Sterne zum Leuchten, in: Der Landbote, 13.12.2018.
Graf, Michael: Abschied von der Glühbirne, in: Der Landbote, 31.12.2014.
Wed: Weihnachtsduell. Das ist die schönste Beleuchtung der Schweiz, in: 20-minuten online, 26.12.2014.
Kir: Namenlos und dennoch stimmig, in: Der Landbote, 27.11.2010.
O.A.: 1. April geistert in Medien herum, in: Der Landbote, 02.04.2009.
Eggli, Marisa: Im Zweifel für die altbewährten Sterne, in: Der Landbote, 18.11.2008.
JA: Adventsbeleuchtung der Altstadt, in: Neue Zürcher Nachrichten, 28.11.1979.
o.A.: Weihnachtsbeleuchtung: Vorwiegend dennoch, in: Die Tat, 3.10.1974.
o.A.: Winterthur protestiert gegen Weihnachtsbeleuchtung, in: Die Tat, 11.12.1973.

Bibliografie

    Weihnachtsbeleuchtung Winterthur

    • Einträge ab 2011

      Hoster, Alex: Wie den Winterthurer die Lichter aufgingen. In: Der Landbote , Nr. 271 (2019). S. 3. m.Abb.
      Schweifsterne erhellen die Winterthurer Altstadt. In: 84XO- Die neue Wochenzeitung, Nr. 8 (2021). S. 9. m.Abb.
      Felix, Christian: Winterthurs erste Weihnachtsbeleuchtung. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 49 (2021). S. 15. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Weihnachtsbeleuchtung Altstadt: Landbote 2008/270 m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
12.12.2024