Architektur

Franz Scheibler

Architekt, 1898–1960

Franz Scheibler war ein Winterthurer Architekt. Sein Frühwerk war stark durch die Schule des deutschen Architekten Heinrich Tessenow geprägt. Scheibler baute in Winterthur vor allem Wohnhäuser für die Arbeiter- und Handwerkerschicht. In den 1950er-Jahren realisierte er auch einige öffentliche Gebäude und Geschäftshäuser, wie beispielsweise die Kunsteisbahn Zelgli.


Geburtsort
Winterthur

Geboren
03.01.1898

Gestorben
27.04.1960


Franz Scheibler, um 1960
Foto: winbib (Signatur 172302)

Jugend und Ausbildung

Franz Scheibler kam am 3. Januar 1898 als Sohn eines Gipsers in Winterthur zur Welt und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater arbeitete damals im Baugeschäft Lerch, wo auch Franz Scheibler eine Lehre absolvierte. Dort nahm sich eine Mitarbeiterin des Jungen an, die künftig als «Tante Huber» zu einer Freundin der Familie wurde. Sie verschaffte dem jungen Franz Scheibler den Zutritt zum Technikum. Von 1916–1919 studierte er und war Schüler von Robert Rittmeyer, für den er nach dem Studium zwei Jahre lang arbeitete. 1921 reiste er nach Dresden und wurde an der Akademie der Künste vom bedeutenden deutschen Architekten Heinrich Tessenow angenommen. Die Lehrzeit in Dresden prägte Franz Scheiblers Architekturauffassung nachhaltig. Tessenow setzte bei seinen modernen Bauten auf die Formensprache des Klassizismus.

Der Winterthurer Tessenow-Schüler

Zurück in Winterthur eröffnete Scheibler 1924 ein eigenes Architekturbüro, dass er bis 1959 betrieb. Er erwies sich als konsequenter und linientreuer Schüler Tessenows und versuchte dessen Ansatz in der Schweiz zu etablieren, was damals einzigartig war. Damit unterschied er sich von der in Winterthur oft vertretenen neugotischen Bautradition des Englischen Hauses, wie sie beispielsweise von den Architekten Otto Bridler und Ernst Jung angewandt wurde. Gleichzeitig grenzte er sich damit auch von der Strömung des Neuen Bauens ab. Als wichtige Inspirationsquelle diente ihm die Tessenow-Reihensiedlung «Am Schänkenberg» in Dresden. Auch Einflüsse von Ostschweizer Spinnereibauten schlugen sich in seinem Stil nieder. Gut erhaltene Repräsentanten seiner Arbeit sind die Reihenhäuser an der Jonas-Furrer-Strasse und das Haus Schönenberger an der Heimstrasse. Die meisten anderen Wohnhäuser wurden in der Zwischenzeit durch spätere Eingriffe überformt.

In der Zwischenkriegszeit wurde Scheibler zum bevorzugten Architekten der Handwerkerschicht. Sein Werk beschränkt sich mit wenigen Ausnahmen auf den Wohnbau und auf Winterthur. Zwischen 1924 und 1929 baute er gemeinsam mit Adolf Kellermüller die Siedlung Eigenheimquartier, im Volksmund auch «Selbsthilfe-Kolonie» genannt. Es handelte sich um eine der ersten Selbsthilfesiedlungen in der Schweiz. Als in den 1930er-Jahre der staatlich geförderte Wohnungsbau vorübergehend an Bedeutung verlor, widmete sich Scheibler vermehrt dem Eigenheimbau und experimentierte auch mit Holz. 1934 realisierte er eine Ständerbausiedlung an der Weststrasse. 1936 verlegte er sein Architekturbüro in das Haus zum Warteck, wo auch die Firma Ed. Bühler & Co. domiziliert war. Durch die räumliche Nähe kam es zu Kontakten mit den Familien Bühler und Volkart, aus denen einige Aufträge entsprangen. 1943 erstellte er die Pläne für die Siedlung Hardau und 1947 die Siedlung Schachen. Neben seinem beruflichen Engagement politisierte Franz Scheibler auch für einige Jahre im Grossen Gemeinderat und war dort Mitglied der Baukommission

Spätwerk

In den 1950er-Jahren erhielt Scheibler mehrere Aufträge für öffentliche Bauten und Geschäftshäuser. So baute er das Gartenhotel (1955), das Betriebs- und Verwaltungsgebäude des städtischen Elektrizitätwerks an der unteren Vogelsangstrasse,  (1957) die Kunsteisbahn Zelgli (1957), das Verwaltungsgebäude der Mobiliarversicherung (1958) und das Schulhaus Schönengrund (1959).

Im Alter von 63 Jahren erkrankte Scheibler schwer und verstarb am 27. April 1960.

Rezeption und Nachlass

Trotz seines Renommees wurde seine Architektur in der Eulachstadt nicht von allen goutiert. Die von Robert Rittmeyer geprägten, verspielten und malerischen Nachbarhäuser nach englischem Vorbild entsprachen dem damaligen Geschmack eher als die reduzierten und schon fast karg wirkenden Kuben des Tessenow-Schülers. Die zurückhaltende Architektur sorgte wahrscheinlich auch dafür, dass Scheibler in Winterthur verhältnismässig wenig bekannt blieb. Sein umfangreicher Nachlass von befindet sich im gta Archiv.  


Benutzte und weiterführende Literatur

Medici-Mall, Katharina: Scheibler, Franz, in: Rucki/Huber (Hg.): Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 479–480.
Steinmann, Martin: ... ein Mensch, der das Einfache und Normale wollte, in: archithese 6-83 (1983), S. 9–17.
Franz Scheibler, Nachruf, in: Das Werk 47 (1960), S. 1960 (Text auf e-periodica)

Bibliografie

    Scheibler, Franz, 1898-1960, Architekt

    • Einträge ab 2011

      Niederhäuser, Peter: 1923. Ein Schlüsseljahr der Winterthurer Baugeschichte. Winterthurer Bau-Geschichten, Band 8. Winterthur 2023. S. 30-33. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      Holzbausiedlung Weststrasse: Kunst+Architektur 2001/3 Chalet oder Bungalow? Zur Schw. Holzbaupropaganda in den 1930er Jahren, von Dieter Schnell, m.Abb.
      Eigenheimsiedlung, in: Winterthur-Mattenbach : von Backsteinhäusern, Dampfkesselnund Gärten / Hrsg. Stadt Winterthur, Departement Bau,Denkmalpflege. - Winterthur : Departement Bau, 2009. Paradies der individuellen Entfaltung, von Caspar Schärer, m.Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
02.12.2022