Wirtschaft und Gastronomie

Hans Sulzer

1876–1959, Industrieller, Diplomat, Wirtschaftsvertreter

Hans Sulzer war ein wichtiger Vertreter der Schweizer Wirtschaftselite in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident leitete er die Geschicke der Gebrüder Sulzer AG. Während den beiden Weltkriegen vertrat er als Diplomat die wirtschaftlichen Interessen der Schweiz im Ausland.


Geboren
17.3.1876

Gestorben
03.01.1959


Portrait Hans Sulzer um 1900
Foto: winbib (Signatur 172824)

Beruflicher Werdegang

Hans Adolf Sulzer wurde am 17. März 1876 in Winterthur als jüngstes von sechs Geschwistern geboren. Er wuchs in gutbürgerlichen Verhältnissen im Wohnhaus seiner Grosseltern direkt neben der Sulzer-Giesserei auf. Während seiner Gymnasialzeit in Winterthur trat er der Mittelschulverbindung Vitodurania bei, wo er erste wichtige Kontakte knüpfte, wie beispielsweise zu Robert Corti, Georg Reinhart und Gottlieb Bachmann. 

Obwohl Hans Sulzer ursprünglich den Beruf des Ingenieurs anstrebte, entschieden sein Vater Heinrich Sulzer-Steiner und sein Onkel Eduard Sulzer-Ziegler, dass die Familie bereits genug Ingenieure zähle. Daher lenkten sie seine berufliche Laufbahn in den kaufmännisch-administrativen Bereich. Hans Sulzer folgte ihrem Wunsch und studierte Rechtswissenschaften und Nationalökonomie an den Universitäten Genf, Berlin und Leipzig. Im Jahr 1900 schloss er sein Studium mit einer juristischen Promotion ab. Anschliessend absolvierte er eine dreijährige Lehrzeit im kaufmännischen Bereich und sammelte Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen und Industrien in Basel, Newcastle und Rom.

Hans Sulzer hatte seinen Traum eines technischen Studiums nicht aufgegeben. Zurück in der Schweiz wollte er noch einige Semester an der Eidgenössischen Teschnischen Hochschule (ETH) in Zürich studieren. Doch sein Onkel überredete den damals 27-jährigen, stattdessen in das Familienunternehmen einzusteigen, was er 1903 auch tat, um seinen Onkel von dessen Pflichten zu entlasten. Noch im selben Jahr begab sich Hans Sulzer auf eine zweijährige Geschäftsreise nach Süd-, Zentral- und Nordamerika, wo er nicht nur ein internationales Netzwerk aufbaute, sondern auch wichtige Geschäftserfahrungen sammelte. 1906 kam es zur Heirat mit Elisabeth «Lili» Weber (1884–1964). Sie war die Enkelin des Textilfabrikanten Johann Jakob Weber. Der Ehe entsprangen drei Kinder. 1916 beauftragte Hans Sulzer den Winterthurer Architekten Lebrecht Völki damit, auf dem familieneigenen Landsitz im oberen Alpgut eine neue Villa samt Ökonomiegebäude und einer grossen Garten- und Sportanlage zu errichten. Dort lebte er mit seiner Familie, wenn er nicht gerade im Ausland unterwegs war. 

Umstrukturierung des Familienunternehmens

Hans Sulzer kämpfte ab 1911 für eine Umstrukturierung des Familienunternehmens in eine Aktiengesellschaft mit Holdingstruktur und setzte gegen den Widerstand seines Bruders Carl Sulzer eine neue Führungsstruktur durch. Im Jahr 1914 wurde das Unternehmen in drei Gesellschaften aufgeteilt: die «Gebrüder Sulzer Aktiengesellschaft Winterthur» und die «Gebrüder Sulzer Aktiengesellschaft Ludwigshafen» wurden beide der neu geschaffenen Holding «Sulzer-Unternehmungen AG» unterstellt, die zudem alle ausländischen Vertretungen vereinte. Nach der Umstrukturierung war Hans Sulzer bis 1934 ein Teil der dreiköpfigen Geschäftsführungsdelegation und trug massgeblich dazu bei, das Unternehmen durch die beiden Weltkriege und die Weltwirtschaftskrise zu führen. Nach dem Tod seines Bruders Carl Sulzer übernahm er 1935 das Verwaltungsratspräsidium, das er bis 1959 innehatte.

Wie es sich für einen Mann seines Standes gehörte, trat Hans Sulzer 1907 in die Politik ein und vertrat bis 1917 die Liberalen im Grossen Stadtrat (heute Stadtparlament). Angebote für eine Kandidatur für den Nationalrat schlug er jedoch aus. Darüber hinaus war er Mitglied der Neuen Helvetischen Gesellschaft (NHG), sass im Kunstverein Winterthur und im Vorstand des Musikkollegiums Winterthur. Gleichzeitig absolvierte er seine militärische Karriere und brachte es auf den Rang eines Oberstleutnants. 

«Minister Sulzer»

Im Sommer 1917 wurde Hans Sulzer vom Bundesrat überraschend zum ausserordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister für die USA berufen. Während dem Krieg hatte sich nämlich die Haltung der USA gegenüber den neutralen Staaten in Europa verschlechtert. Hans Sulzer sollte nun gemeinsam mit drei weiteren Delegierten zur Verbesserung des Images der Schweiz beitragen. Obwohl Hans Sulzer mit 41 Jahren noch vergleichsweise jung für einen solchen diplomatischen Posten war, verfügte er dank seinen Erfahrungen in der Unternehmensführung und seiner internationalen Vernetzung bereits über den nötigen Leistungsausweis. 

Hans Sulzer brach also mit seiner Frau und den Kindern sowie mit einigen Mitarbeitern nach Washington auf. Dort angekommen, brachte er die Schweizer Gesandtschaft auf Vordermann und verhandelte mit den amerikanischen Behörden. Dabei kam es zu Treffen mit hochrangigen Regierungsvertretern bis hin zum amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson. Der junge Schweizer Minister und seine Frau waren in der amerikanischen Presse beliebt; Sulzer trug zur Verbesserung der schweizerisch-amerikanischen Beziehung bei. 1920 kehrte er in die Schweiz zurück.

Engagement im Zweiten Weltkrieg

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs trat Hans Sulzer erneut in den Dienst des Bundes. Innerhalb der Schweizerischen Kriegswirtschaft wurde er zum Chef der Sektion Eisen und Maschinen. Damit war er für die Sicherstellung der Eisenversorgung für die Maschinenindustrie zuständig. Zusätzlich war er auch an wirtschaftlichen Verhandlungen mit den Kriegsparteien beteiligt. 1942 begab er sich im Auftrag des Bundesrates auf die «Londoner Mission». Die Schweiz hatte ab 1941 die wirtschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reich intensiviert, was von den Briten alles andere als goutiert wurde. Nach Phasen der Entspannung kam es 1943 zu einer diplomatischen Krise zwischen der Schweiz und den alliierten Mächten. Letztere setzten darauf verschiedene Schweizer Unternehmen auf die Schwarze Liste – darunter auch die Gebrüder Sulzer AG. Die Firma und auch Hans Sulzer selbst waren damit international diskreditiert. 1944 kam es zu einer Einigung, und die Firma wurde wieder von der Liste gestrichen und damit rehabilitiert. Im selben Jahr vertrat Hans Sulzer die Interessen der Schweizer Privatwirtschaft an der International Business Conference in Rye. 

Wichtige Mandate

Hans Sulzer sass im Verlauf seines Lebens in über 26 verschiedenen Verwaltungsräten und Gremien, darunter waren Winterthurer Unternehmen wie die Schweizerische Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft, die Bank Winterthur, die Eulachgarage AG und die Buchdruckerei Winterthur. Hinzu kamen wichtige lokale und nationale Mandate in verschiedenen Verbänden. Von 1935 bis 1951 war er Präsident des schweizerischen Handels- und Industrievereins, der Schweizerischen Handelskammer und des Vororts.

Tod, Nachlass und Biografie

Hans Sulzer war nach dem Zweiten Weltkrieg massgeblich an der wirtschaftlichen und politischen Gestaltung der Schweiz beteiligt. Er blieb zeitlebens ein überzeugter Liberaler. Nach längerer Krankheit verstarb er am 3. Januar 1959. Die nationale und internationale Anteilnahme war gross, die Zeitungen mit Nachrufen und Würdigungen gefüllt. Die Abdankungsfeier fand in der Stadtkirche statt. Unter den zahlreich erschienen Trauergästen befand sich auch der damalige Bundestrat Hans Streuli. 1977 wurde Hans Sulzer posthum mit der erstmals verliehenen Ehrenurkunde für ausserordentliche Leistungen durch die American Swiss Association (ASA) gewürdigt. 

Der persönliche Nachlass von Hans Sulzer befindet sich seit 1991 im Archiv für Zeitgeschichte der ETH. Dieser Bestand wurde zwischen 2021 und 2023 durch weitere Schenkungen ergänzt. 2023 erschien die biografische Studie «‹Weltengänger› in krisenhaften Zeiten – Der Winterthurer Industrielle und Diplomat Hans Sulzer (1876–1959)».


Benutzte und weiterführende Literatur:

Nerlich, Daniel/Wiesmann, Matthias (Hg): «Weltengänger» in krisenhaften Zeiten. Der Winterthurer Industrielle und Diplomat Hans Sulzer (1876–1959), Zürich 2023 (Veröffentlichungen des Archivs für Zeitgeschichte ETH Zürich)
Nerlich, Daniel: Das ETH-Studium fehlte ihm zum Glück, in: ETH Heritage, 31. März 2023.
Bálint, Anna: Sulzer im Wandel. Innovation aus Tradition, Baden 2015.
o.A.: Ehrung für Hans und Georg Sulzer, in: Neue Zürcher Zeitung, 08.10.1977.
Nekrolog: Minister Dr. Hans Sulzer, 1876–1959, Winterthur 1959.
Nachruf H.K.: Ein grosser Wirtschaftspionier. Zum Tode von Minister Dr. Hans Sulzer, in: Der Bund, 11.01.1959.
Nachruf: Minister Dr. Hans Sulzer, 1876–1959, in: Neue Zürcher Nachrichten, 05.01.1959.

Bibliografie

    Sulzer, Hans, 1876-1959, Industrieller, Minister

    • Einträge ab 2011

      Felix, Christian: Arbeit, Geld, Macht und Wille. In: Winterthurer Zeitung, Nr. 17 (2023). S. 9. m.Abb.
      Garcia, Miguel: Sulzer, Meienberger und Nazideutschland. In: Winterthurer Jahrbuch, 2023. S. 121-123. m.Abb.
      Nerlich, Daniel; Wiesmann, Matthias (Hrsg.): «Weltengänger» in krisenhaften Zeiten. Der Winterthurer Industrielle und Diplomat Hans Sulzer (1876-1959). Zürich, 2023. 263 S., ill.

      Einträge 1991–2010

      Der Fall Sulzer, in: Oswald Inglin. "Der stille Krieg", der Wirtschaftskrieg zwischen Grossbritannien und der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. Zürich, 1991, S.172-181


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
07.07.2023