Politik

Martin Haas

Mittelschullehrer, Historiker, Stadtrat, Kantonsrat, 1935–2019

Martin Haas war von 1990 bis 2002 Stadtpräsident von Winterthur. In seine Amtszeit fielen mehrere städtische Pionierleistungen, wie die Einführung der Tempo-30-Zone, die Durchführung von Umweltschutz- und Arbeitslosenprogrammen sowie die Institutionalisierung des Stadtmarketings. Als Kulturvorsteher war er an der Öffnung der Villa Flora als Museum beteiligt und unterstützte die Realisierung des alternativen Kulturzentrums Gaswerk.


Geburtsort
St. Gallen

Geboren
10.05.1935

Gestorben
13.10.2019


1990 wurde Martin Haas zum Stadtpräsidenten gewählt. Er blieb bis 2002 im Amt. V.l.n.r.: Stadtrat Walter Ryser, Stadtrat Albert Eggli, Stadtrat Reinhard Stahel, Stadtpräsident Martin Haas, Stadtrat Hans Hollenstein, Stadtschreiber Peter Saile, Stadtrat Heiri Vogt, Stadtrat Leo Iten.
Foto: winbib, Michael Wiesner (Signatur FotLb_004579)

Laufbahn

Martin Haas ist am 10. Mai 1935 in Herisau geboren und in St. Gallen aufgewachsen. Er besuchte dort die Kantonsschule und studierte anschliessend an den Universitäten Zürich und Paris Geschichte und Französisch. Nach seinem Studienabschluss arbeitete der Historiker einige Zeit als Hilfslehrer. 1971 wählten ihn die Stimmberechtigten der FDP in den Kantonsrat, wo er bis 1989 im Amt blieb. Bis 1981 war er vollamtlich als Gymnasiallehrer an der Kantonsschule Rychenberg tätig. Im gleichen Jahr wurde er inden Winterthurer Stadtrat gewählt. Vor der grossen Reorganisation der Stadtverwaltung war Haas für die Kultur, das Gesundheitsamt, das Arbeitsamt, die Einwohnerkontrolle, den Sport und den Schlachthof zuständig. Danach leitete er von 1986 bis 1990 das Departement Sicherheit und Umwelt, wo er sich vor allem mit der Entwicklung von Programmen für Arbeitslose und Themen rund um den Umweltschutz beschäftigte. Martin Haas war politisch breit interessiert, was sich in einer hohen Anzahl von Mitgliedschaften in Spezialkommissionen niederschlug: Er war in über 90 Kommissionen vertreten. So war er beispielsweise von 1975 bis 1983 Mitglied der ständigen Finanzkommission. Von 1983 bis 1989 präsidierte er die FDP-Fraktion.

Martin Haas als Stadtpräsident

1990 wählte die Bevölkerung Martin Haas als Nachfolger von Urs Widmer zum Stadtpräsidenten. Er war der erste Vertreter der FDP, dem diese Wahl gelang. Obwohl Haas aufgrund seiner eher zurückhaltenden und distanzierten Art nicht als volksnah galt, bestätigten ihn die Wähler:innen zweimal hintereinander mit auffallend hohem Stimmenanteil in seinem Amt. Er erfreute sich grosser Beliebtheit, nicht zuletzt auch deshalb, weil er ein begnadeter Redner war. Martin Haas war an mehreren städtischen Pionierleistungen beteiligt: 1990 führte die Stadt Winterthur in Nägelsee, im Inneren Lind, im Feld und im Birchermüesli-Quartier als erste Stadt in der Schweiz die Tempo-30-Zone ein - ein Modell, das später schweizweit übernommen wurde. Auch im Bereich der internationalen Beziehungen setzte er Akzente, indem er nach dem Mauerfall 1989 eine Städtepartnerschaft mit der tschechischen Stadt Pilsen initiierte.

Die Amtszeit des promovierten Historikers war durch den allmählichen Niedergang des Industriesektors und die Neupositionierung Winterthurs als Bildungs- und Dienstleistungsstadt geprägt. In diesem Zusammenhang unterstützte der Stadtpräsident 1994 die Gründung des Stadtmarketings als neues Instrument für die Stadtentwicklung. Eine schwierige Phase markierte der Rückzug der Firma Sulzer aus der Stadtmitte und vom Standort Oberwinterthur. Die Entwicklung der beiden Industriebrachen beschäftigte Haas und den damaligen Bauvorsteher Heiri Vogt (SP) mehrere Jahre lang. Obwohl sie die entsprechenden Rahmenbedingungen festgelegt hatten, setzte die effektive Umnutzung und Umgestaltung des Areals erst zehn Jahre später ein. Das von den Architekten Jean Nouvel und Emanuel Cattani entworfene und 1995 vom Stadtrat genehmigte Prestigeprojekt «Megalou» wurde aufgrund der einsetzenden Immobilienkrise nicht umgesetzt.

Ebenfalls startete während seiner Präsidentschaft die erste Sensibilisierungskampagne zur Reinhaltung der Luft und zur Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie mehrere Arbeitslosenprogramme, womit Winterthur ebenfalls die Vorreiterrolle übernahm. Wichtige Akzente setzte Haas im Bereich der städtischen Kultur. So war er nicht nur ein Förderer des Museums- und Bibliothekswesens, sondern setzte sich auch für das damals umstrittene alternative Kulturzentrum Gaswerk! ein.

Nach seinem Rücktritt im Jahr 2002 widmete sich Haas wieder der Geschichte. Sein Schwerpunkt lag in der Erforschung der Reformationszeit in der Schweiz. Ebenso traf er sich regelmässig mit seinen ehemaligen Stadtratskollegen Heiri Vogt (SP), Leo Iten (SVP) und Albert Eggli (SP) zum Jassen. Martin Haas starb 2019 im Alter von 84 Jahren. Auf Wunsch ehemaliger Schüler:innen von Martin Haas fand am 26. November 2019 in der Kantonsschule Rychenberg eine kleine öffentliche Gedenkfeier statt.

Schweizer Radio und Fersehen (SRF): Martin Haas äussert sich über die Eröffnung des Kunstmuseum-Anbaus, Tagesschau Hauptausgabe vom 18.11.1995, zVg. via Play SRF.

Benutzte und weiterführende Literatur

Kirchheim, Eva: Nachrufe. Martin Haas, in: Winterthurer Jahrbuch 2021, S. 187–188.
Leutenegger, Marc:  Ein öffentliches Adieu für Martin Haas, in:  Landbote, 19.11.2019
Kläy, Dieter: Historiker, Stadtpräsident, Europäer - Nachruf, in: Landbote, 25.10.2019
Schaufelberger, Hans: Die Stadt Winterthur im 20. Jahrhundert. Eine Chronik mit begleitenden Texten. Neue helvetische Gesellschaft, Winterthur, 1991. S. 276–277.

Bibliografie

    Haas, Martin, 1935-2019, Dr.phil., Stadtpräsident 1990-2002

    • Einträge ab 2011

      Kirchheim, Eva: Nachrufe. Martin Haas. In: Winterthurer Jahrbuch 2021. S. 187-188. m.Abb.

      Einträge 1991–2010

      In: Hans Schaufelberger. Die Stadt Winterthur im 20. Jh. 1991, S.276 f. 1Abb.
      Das letzte Geschichtswerk: Zürcher Oberländer 1995/41 1Abb.
      Interview: Stadtblatt 1997/178.
      Landbote 1998/6 1Abb. - Stadtblatt 1998/18 1Abb.
      10 Jahre Stadtpräsident: Zürcher Oberländer 2000/91 Interview, 1Abb.
      Rücktritt 2002: Tages-Anzeiger 2001/58.
      Porträt von Henri Schmid: Tages-Anzeiger 2001/177 1Abb.
      Rücktritt: Landbote 2001/298 1Abb. - Tages-Anzeiger 2001/298. - NZZ 2002/7 S. 35 1Abb. - FDP-Nachrichten 2002/2. - Weinländer Zeitung 2002/21. - Stadtblatt 2002/21.
      Abschiedsfest: NZZ 2002/82 S. 43 1Abb. - Landbote 2002/82. - Weinländer Zeitung 2002/42.
      In: Landbote 2002/110. - Weinländer Zeitung 2002/57 von Kurt Zimmermann.
      Vier Stadtpräsidenten: Winterthurer Jahrbuch 2004 von Martin Gmür, 1Abb.


Autor/In:
Nadia Pettannice
Letzte
Bearbeitung:
11.10.2024